UKSH, Campus Kiel, startet erneut eine Informationskampagne gegen sexuelle Gewalt
26.09.2025 - Prävention sexueller Gewalt: Kampagne "Kein Täter werden" wird in Schleswig-Holstein fortgesetzt
Mit Unterstützung des schleswig-holsteinischen Justiz- und Gesundheitsministeriums startet das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel, erneut eine Informationskampagne gegen sexuelle Gewalt an Kindern. Ziel ist es, das Behandlungsangebot des Projekts "Kein Täter werden" in der Öffentlichkeit sichtbarer zu machen und mehr betroffene Personen zu erreichen, die sich sexuell zu Kindern hingezogen fühlen. Das Zentrum für Integrative Psychiatrie (ZIP) am UKSH ruft mit der Kampagne zur frühzeitigen Nutzung des Präventionsangebots auf, um so einen wirksamen Beitrag zum Kinderschutz zu leisten.
Die crossmediale Kampagne läuft von Ende September bis Anfang November. Wie in den Vorjahren setzt die Kampagne auf Großflächenplakate sowie animierte Werbedisplays in der Landeshauptstadt Kiel. Das Hauptmotiv wird zur Laufzeit auf 300 Großflächen in Schleswig-Holstein zu sehen sein.
Begleitend wurden Videos produziert, die die Empathie für betroffene Kinder in den Vordergrund rücken soll. Ziel der Videoclips ist es, die Schwellenangst zu senken, sich als Betroffener an die Präventionsambulanz am Campus Kiel zu wenden und eine Behandlung zu beginnen. Die Videos sind auf der Website www.kein-taeter-werden.sh abrufbar. Dort befinden sich auch weitere Videos, die unter anderem realistische Vorstellungen zum Behandlungsprozess vermitteln.
Das Angebot der Präventionsambulanzen ermöglicht es Betroffenen, anonym und kostenfrei an einer sexualmedizinisch-sexualtherapeutischen Diagnostik, Beratung und Therapie teilzunehmen. Das Land Schleswig-Holstein fördert die Informations-Kampagne dazu mit rund 75.000 Euro. Justiz- und Gesundheitsministerin Prof. Dr. Kerstin von der Decken betont: „Wir müssen alle Hebel in Bewegung setzen, um Kinder vor sexualisierter Gewalt zu schützen. Das Projekt ‚Kein Täter werden‘ bietet einen wichtigen Ansatzpunkt: Es ermöglicht betroffenen Personen, Verantwortung zu übernehmen und Hilfe in Anspruch zu nehmen – bevor etwas geschieht.“
Laut Kriminalstatistik 2024 sind in Deutschland 16.354 Fälle des sexuellen Kindesmissbrauchs und 42.854 Fälle für Besitz und Verbreitung von Darstellungen sexualisierter Gewalt gegen Kinder angezeigt worden. Nach empirisch begründeten Schätzungen fühlen sich in Schleswig-Holstein etwa 7.000 Personen sexuell zu Kindern hingezogen. Diese Präferenz wird als „Pädophilie“ bezeichnet und führt zur pädophilen Störung, wenn die Betroffenen darunter leiden oder durch sexuelle Übergriffe auf Kinder Leid verursachen. Pädophilie kann nicht behoben oder geheilt, aber kontrolliert werden.
2005 wurde an der Berliner Charité das Projekt „Prävention von sexuellem Kindesmissbrauch im Dunkelfeld“ gestartet. Danach wurden an mehreren Orten in Deutschland ähnliche Therapiezentren eröffnet, die sich 2011 zu dem bundesweiten Präventionsnetzwerk „Kein Täter werden“ zusammengeschlossen haben. Mittlerweile ist über das Netzwerk an zwölf Standorten in Deutschland professionelle Hilfe für Personen mit pädophilen Neigungen verfügbar – freiwillig, unter Schweigepflicht und seit 2018 als Gesundheitsleistung von der Krankenkasse in einem speziellen multizentrischen Modellprojekt finanziert. Der Kieler Standort ist 2009 eröffnet worden und gehört zu den Gründungsmitgliedern des bundesweiten Präventionsnetzwerks.
Die ersten Befunde zur Wirksamkeit des Kieler Präventionsprogramms sind ermutigend: Eine Studie der Kieler Arbeitsgruppe belegt, dass die therapeutischen Maßnahmen dazu beitragen, Risikofaktoren für sexuellen Kindesmissbrauch zu verringern. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass viele Teilnehmende durch die Therapie lernen, ihre Impulse besser zu kontrollieren und mehr Handlungssicherheit im Alltag zu gewinnen“, sagt Prof. Dr. Christian Huchzermeier, Direktor des Instituts für Sexualmedizin und Forensische Psychiatrie und Psychotherapie des UKSH, Campus Kiel, sowie Projektkoordinator des ZIP. „Das ist ein zentraler Beitrag zur Prävention – auch wenn die Wirksamkeit in weiteren Studien noch umfassend untersucht werden muss.“ Daher werden in einer multizentrischen Studie, an der mehrere Standorte des Netzwerks "kein Täter werden" beteiligt sind, gegenwärtig die Therapieeffekte systematisch untersucht. Mit Auswertung der Daten kann im Verlauf des kommenden Jahres gerechnet werden.