Gesundheitsökonomie

Menschlichkeit an erster Stelle

Möglichkeiten, das Vertrauen in die Medizin zu steigern

11.03.2010 -

In einem Gespräch mit Susan Röse ziehen Prof. Dr. Wolfgang Weyland und Prof. Dr. Hermann Reichenspurner ihr Fazit über die Diskussionsrunde mit dem Titel „Noch nie konnte Medizin so viel wie heute, noch nie war das Misstrauen so groß. Machen wir beim Management der Erwartungen etwas falsch?". Es fand unter Leitung von Prof. Heinz Lohmann anlässlich des 3. Kommunikationskongress der Gesundheitswirtschaft Dezember 2009 in Hamburg statt.

M&K: Mit welchem Ergebnis gehen Sie aus der Diskussion?

Wolfgang Weyland:
Die Zufriedenheit der Patienten mit dem Gesundheitssystem ist nach einer europäischen Studie nur zu 10% vom eigenen Erleben beeinflusst. 70% wird sehr wahrscheinlich durch Darstellung des Gesundheitssystems in den Medien geprägt. Und dies erfolgt sehr interessenzentriert durch die verschiedenen Akteure, häufig auf dem Rücken der Patienten. Hier findet sich bisher kein Management der Erwartungen. Hier besteht noch ein hohes Potential positiver Einflussnahme.
Im eigenen Kontakt spielt für den Patienten die zwischenmenschliche Kommunikation zum Therapeuten eine zentrale Rolle, daher genießt im Gesundheitsbarometer 2009 der Hausarzt das höchste Vertrauen, gefolgt von Facharzt und Krankenhaus, die Uni-Klinik das geringste. Den Patienten interessieren die strukturbedingten Kommunikationsstörungen im System nicht. Er möchte Rücksicht auf individuelle Bedürfnisse und Werte, Koordination der Versorgung, Information und Aufklärung, Zuwendung und emotionale Unterstützung, Einbezug von Familie, leibliches Wohlbefinden, Zugang zur Versorgung.
Die hohe Zufriedenheit mit Therapeuten, die Komplementär- und Alternativverfahren zur Behandlung einsetzen, lässt sich durch den höheren Gesprächsanteil in der Behandlung erklären. Dafür nimmt der Patient erstaunlicherweise sogar einen geringeren Behandlungserfolg in Kauf. Eine aktive Beteiligung des Patienten an der Entscheidung zu einem Behandlungsverfahren im Sinne von ‚shared desicion making‘ könnte zudem eine Beschäftigung und Identifikation mit dem gewählten Verfahren mit sich bringen. Die Lebensqualität und das Wohlbefinden von Krebspatienten beispielsweise konnte durch dieses Vorgehen bedeutend verbessert werden.

Wie sieht die Zukunft aus? Was ist Ihre Zukunftsvision?

Weyland: Die Zukunft liegt für uns darin, den Patienten ernst zu nehmen und für den Patienten darin, Verantwortung für sich zu übernehmen. Die Zukunft für mich ist eine menschliche Gesundheitsversorgung.
Die medizinische Leistung ist ökonomisch tragbar, die Erfüllung der Erwartung liegt in der Erfüllung menschlicher Bedürfnisse. Das Management der Erwartungen muss in verschiedene Richtungen gehen: Die Erwartungen der Patienten an die verfügbaren Möglichkeiten anpassen, ihn aktiv in die Entscheidung einbinden und die medizinischen Leistungen an die Bedürfnisse der Patienten anpassen. Der Weg dahin liegt weniger darin, die Einzelleistung zu optimieren, als vielmehr darin, die Einzelleistungen zu passenden Unterstützungspaketen zu koordinieren über Grenzen hinweg: Abteilungsgrenzen, Grenzen der Berufsgruppen und sektorale Grenzen. Die Zeichen der Zeit haben wir noch nicht erkannt!

Wie lautet Ihr Fazit?

Hermann Reichenspurner: Das Fazit der Diskussion kann in mehrere Bereiche aufgeteilt werden. Zum einen kann tatsächlich in der Medizin heutzutage viel erreicht werden. Gerade in der Herzmedizin bieten wir am Universitären Herzzentrum Hamburg heute den Patienten viele schonende und gering invasive Diagnostik- und Behandlungsmethoden, die den Patienten letztendlich dazu verhelfen schnell und mit möglichst wenig Schmerzen ihre Herzerkrankung zu überwinden.
Obwohl in der Öffentlichkeit ein großes Misstrauen gegenüber den Ärzten wahrgenommen wird, ist dies in der täglichen Praxis nicht nachvollziehbar. Wichtige Voraussetzung hierfür sind intensive Gespräche mit den Patienten und den Angehörigen, für die sich der Arzt sehr viel Zeit nehmen muss und auch auf alle für den Patienten wichtige Fragen eingehen muss. Nur mit einer gezielten und guten Kommunikation können Missverständnisse und Misstrauen aus dem Weg geräumt werden. Kommunikation mit den Patienten und den Angehörigen ist derzeit nicht Teil der medizinischen Ausbildung, sollte jedoch dringend darin aufgenommen werden und auch regelmäßig während der Facharztausbildung anhand von Seminaren weiter trainiert werden.

Haben wir die Zeichen der Zeit erkannt?


Reichenspurner: In der Zukunft wird sich die medizinische Entwicklung rasant weiterentwickeln, und auch in der Medizin ist der technologische Fortschritt nicht aufzuhalten. Bei all dieser Entwicklung müssen allerdings die Ärzte nach wie vor den Patienten als Menschen sehen, mit all seinen Ängsten und Fragen. Bereits während des Studiums und der Facharztausbildung muss der Umgang mit den Patienten gelernt und regelmäßig trainiert werden. Menschliche Behandlung und das Einfühlungsvermögen der Ärzte ist eine wichtige Voraussetzung, um das in der Öffentlichkeit oft so beschriebene Misstrauen der Patienten aus dem Weg zu räumen.

Zur Person
Prof. Dr. Wolfgang Weyland
ist Chefarzt der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin der Klinikum Stadt Soest: Ihn treffen, laut eigenen Aussagen, die Erwartungen von Patienten in der Rolle eines Leistungserbringers im Servicebereich operativer Abteilungen. Er fühlt sich verantwortlich für die Risikoberatung, die Sicherheit und den Patientenkomfort im organisatorischen, physischen wie auch psychischen Bereich.

Zur Person
Prof. Dr. Hermann Reichenspurner
ist Direktor der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und ärztlicher Leiter des Universitären Herzzentrums Hamburg. Er ist in München geboren und aufgewachsen und kam nach mehreren Auslandsaufenthalten u.a. in Kapstadt (Südafrika) und an der Stanford Universität (Kalifornien) im Jahre 2001 nach Hamburg.

 

Kontakt

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+49 2921 90 0

Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie

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