Gesundheitsökonomie

Unterbewertete Probleme, überbewertete Lösungen

31.03.2010 -

Was würde aus Ihrer Sicht passieren, wenn diese Umstrukturierungen in Ihrem Sinne durchgeführt würden?

Weiser: Es wird zu einer Verbesserung der Prozessabläufe im Krankenhaus kommen. OP- und Entlassungsmanagement sind wie gesagt Dinge, die ein Arzt nicht erledigen muss. Vernünftig angesiedelt wäre das bei jemandem, der das hauptberuflich macht und in diesem Beriech dann auch die Qualität erhöhen könnte.

Über Fachkräftemangel wird viel gesprochen - wie gravierend ist dieses Problem in den Kliniken - manch einer unkt ja, es würde lediglich auf hohem Niveau gejammert?

Weiser:
Nein, es gibt dazu eindeutige Zahlen, die belegen, dass wir in Deutschlands Krankenhäusern 4.000 offene Arztstellen haben. Diese können aufgrund des Nachwuchsmangels nicht besetzt werden. In den neuen Bundesländern haben wir die Situation, dass ganze Krankenhausabteilungen durch den Ärztemangel geschlossen sind. Das kann es nicht sein. Unsere Gesellschaft muss da für Abhilfe sorgen. Abhilfe schaffen heißt aber nicht ausschließlich, auf die Aufstockung der Studienplätze zu schauen, sondern wir müssen überlegen, ob es andere Gründe als mangelndes Interesse bei den Studienanfängern gibt. Man muss ganz klar sagen, dass in den letzten 10 bis 15 Jahren im Gesundheitssystem eine Fülle paramedizinischer Berufe geschaffen wurden, in die Studienabsolventen drängen. Etwa 25% der Absolventen stehen so der kurativen Medizin nicht zur Verfügung. Das ist zwar in Ordnung, denn wir wollen ja diese Berufe. Aber man sollte überlegen, ob man für diese Berufsbilder nicht eigene Ausbildungsbildungsgänge schafft. Momentan werden Studienplätze zum Teil durch diese Studenten, die später nicht ins Krankenhaus wollen, belegt.
Ein zweiter Faktor ist, dass wir jährlich eine Abwanderung deutscher Mediziner von etwa 1.000 bis 1.500 Personen zu bilanzieren haben. Hier hilft aus meiner Sicht nur eine dramatische Verbesserung der Arbeitssituation. Es ist nicht nur eine Frage der Bezahlung, sondern auch der Arbeitsbelastung und der zeitlichen Situation.
Da muss sich etwas tun, damit wir unsere Jungmediziner halten können.

Noch mal zur Prozessoptimierung: IT im Krankenhaus - ein Thema, das quasi „in aller Munde ist". Was kann IT leisten - wo sind die Grenzen?

Weiser: Aus meiner Sicht wird das Thema deutlich überbewertet. Die theoretischen Möglichkeiten, die die Informationstechnologie bietet, beziehungsweise das, was wir in den Kliniken an Konzepten von den Firmen vorgestellt bekommen, sieht auf den ersten Blick gut aus. Wenn es so wäre, wie es vorgestellt wird, dann würde die IT einen wesentlichen Beitrag zur Prozessoptimierung leisten. Tatsache ist aber, aus meiner klinischen Sicht, dass alle mir bisher vorgestellten und installierten IT-Lösungen wenn überhaupt nur partiell funktioniert haben. Ein anderes großes Manko ist die Schnittstellenproblematik - man hat es permanent mit Insellösungen zu tun. IT bringt also nur eine punktuelle Verbesserung der Prozesse.

In den Kanon der guten Absichten reiht sich auch die elektronische Gesundheitskarte ein (eGK)?

Weiser:
Im Prinzip hat der VLK nichts gegen die elektronische Gesundheitskarte einzuwenden. Sie wäre denn, wenn sie optimal funktionieren würde, sehr erstrebenswert und würde die Behandlung der Patienten erheblich erleichtern. Ein großes Problem, das wir aber haben, ist, dass die Patienten zu jeder Zeit entscheiden, welche Daten auf ihrer Gesundheitskarte verbleiben und welche gelöscht werden. Das hat zur Folge, dass der behandelnde Arzt nie sicher sein kann, ob der vorhandene Datensatz wirklich vollständig ist. So kann er gar nicht sicher sein, ob er darauf eine Behandlung aufbauen kann.
Das Zweite, was noch banaler ist, ist die Tatsache, dass wir es noch nicht geschafft haben einen adäquaten Datensatz auf die eGK aufzuladen. Das heißt, im Moment hat der behandelnde Arzt nicht mehr als ein paar Stammdaten und einige Einzelinformationen. Wobei er auf diese Informationen keine Therapie aufbauen kann.

Ihre Prognose?

Weiser:
Ob es überhaupt so weit kommt, dass ein vollständiger krankheitsbezogener Patientendatensatz auf de eGK aufgespielt wird, ist heute aus Datenschutzgründen sehr fraglich. Ich glaube, wir entwickeln dort eine sehr moderne, sehr erstrebenswerte Technologie, die aber in der Umsetzung noch lange Zeit und viel Geld erfordern wird, bis wir möglicherweise ein funktionierendes System haben.

Kontakt

Verband leitender Krankenhausärztinnen und -ärzte e.V.

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