Hygiene

Hygiene und Wundantiseptik: Über die Wirksamkeit der Waffen im Kampf gegen postoperative Wundinfektionen

L&R Expertenrunde zu SSI

21.03.2019 -

Postoperative Wundinfektionen (Surgical Site Infections, SSI) sind in Deutschland mit aktuell 22,4% eine der häufigsten Arten nosokomialer Infektionen (NI).1,2

Dies ist nicht allein auf die zunehmende Resistenz von Erregern gegen die Behandlung mit Antibiotika3 zurückzuführen. Auch Hygienemängel2 können als Gründe ins Feld geführt werden. Diese Entwicklungen hat die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut im April 2018 zum Anlass genommen, ihre Empfehlungen zur Prävention postoperativer Wundinfektionen (SSI) zu aktualisieren.4 Einen weiteren Aspekt im Kampf gegen SSI und Antibiotikaresistenzen greift 2018 ebenfalls ein internationales Expertengremium unter der Leitung von Prof. Dr. med. Axel Kramer vom Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Universitätsmedizin Greifswald auf, indem es in seiner „Aktualisierung des Expertenkonsensus Wundantiseptik 2018“ auf die Vorteile moderner Wundantiseptika eingeht.5 Im Zuge der von L&R initiierten Expertenrunde beleuchteten neben Prof. Axel Kramer auch Dipl.-Ing. Thomas Menitz, COO und Senior Executive Vice President von L&R, Tina Leeb, Abteilungsleitung R&D, Schwerpunkt Mikrobiologie, sowie Roland Knieler, Managing Director von Knieler & Team, am 15. März 2019 die Möglichkeiten zur Vermeidung von postoperativen Wundinfektionen und diskutierten die Frage, wo Hygiene beginnt.

Nosokomiale Infektionen (NI) sind im Gesundheitssektor ein stetig wachsendes Problem. Etwa 400.000 bis 600.000 Infektionen und 6.000 bis 15.000 Todesfälle treten jährlich im Zuge eines Krankenhausaufenthalts in Deutschland auf und machen damit einen Großteil aller im Krankenhaus auftretenden Komplikationen aus.6 Die Auslöser sind zu fast 96% Bakterien wie Escherichia coli, Clostridium difficile und Staphylococcus aureus, die aufgrund vermehrter Antibiotikaresistenzen nur sehr schwierig bekämpft werden können.1,7

Die häufigsten Ursachen für NI sind invasive Untersuchungen oder Therapien, wie zum Beispiel der Einsatz von Gefäß- und Harnwegskathetern, Ernährungssonden oder künstliche Beatmung.8 Erreger der körpereigenen Bakterienflora der Patienten können dabei in den Körper gelangen und eine Infektion auslösen.9 Hinzu kommen Hygienemängel, besonders bei der Händehygiene, die zur Verbreitung von Erregern beitragen.2

Infektionsrisiko OP

Besonders Operationen bieten vielen Erregern die Möglichkeit, in den Körper der Patienten zu gelangen und im ungünstigsten Fall eine SSI zu verursachen.10 Die Weiterentwicklung von Operationsmethoden sowie der demografische Wandel haben zu einem Anstieg der OP-Zahlen geführt.11 Das hat zur Folge, dass SSI in Deutschland mit aktuell 22,4% seit Jahren einen der obersten Plätze der Infektionsarten beim Auftreten von NI einnehmen.1 Dies war für die KRINKO der Anlass, ihre Empfehlungen zur Prävention von SSI im April 2018 zu aktualisieren.4 Sie unterstreicht darin die Notwendigkeit von Maßnahmen der Infektionsprävention nicht nur im Rahmen der Wundversorgung nach einer Operation, sondern besonders auch vor und während eines Eingriffs.4 Dabei stuft die KRINKO die einzelnen Hygienemaßnahmen in verschiedene Evidenzkategorien von IA bis IV ein.4

Um das Infektionsrisiko einzudämmen, wird präoperativ eine Untersuchung der Patienten auf eine mögliche, bestehende Infektion und deren Behandlung empfohlen. Die gründliche Reinigung der Haut im Operationsgebiet und die Entfernung von Haaren nicht durch eine Rasur, sondern mittels Kürzen durch einen Clipper, stellen sicher, dass schädigende Erreger bestmöglich eliminiert werden.4 Ebenso wichtig ist es, Hygienestandards zu etablieren und konsequent umzusetzen, um ein steriles Arbeits- und OP-Umfeld zu schaffen.4 Dazu gehören zum Beispiel neben Desinfektionsmaßnahmen wie Flächen- und Händedesinfektion4, das Tragen von Einmalhandschuhen12, Haarschutz, geeigneter OP-Bereichskleidung und im OP-Raum zusätzlich einem Mund-Nasen-Schutz.4 Eine Antibiotika-Prophylaxe sollte nur zum Einsatz kommen, wenn indiziert.4

Während einer Operation ist das Risiko Erreger zu verschleppen besonders hoch. Intraoperative Maßnahmen wie die chirurgische Händedesinfektion, sterile OP-Mäntel sterile OP-Abdeckungen und sterile Instrumente sowie doppelte OP-Handschuhe können helfen, eine SSI zu vermeiden.4 Eine gründliche Antiseptik der Patientenhaut im Operationsgebiet mit einem alkoholbasierten Hautantiseptikum4 und eine normale Temperatur des Patienten während des Eingriffs tragen ebenso dazu bei, die Verbreitung von Erregern einzudämmen.13 Zusätzlich kann antiseptisch beschichtetes Nahtmaterial die Biofilmbildung entlang des Fadens vermindern.4

Wiederentdeckung der Wundantiseptik

Lange Zeit wurden flächendeckend Antibiotika zur Prophylaxe von Infektionen eingesetzt.5 Die Folge: Erreger entwickelten vermehrt Resistenzen und Antibiotika greifen daher nicht mehr.14 Diese Entwicklung lässt Experten einen neuen Blick auf die Wundantiseptik werfen, die jahrzehntelang in Vergessenheit geraten war. Auf Grund der guten Verträglichkeit, der mikrobioziden Wirkung im Gegensatz zur mikrobiostatischen Wirksamkeit von Antibiotika und der einfachen Anwendung moderner Wundantiseptika wie PHMB, erleben diese eine regelrechte Renaissance.5 Nicht nur in der postoperativen Wundversorgung, sondern schon während der Operation können antiseptische Wirkstoffe eingesetzt werden, um Infektionen zu verhindern.5 Da Erreger gegen Antiseptika keine Resistenzen entwickeln, sichert dies auch in Zukunft den zielgerichteten Einsatz von Antibiotika.5

Postoperative Wundversorgung elementar

Die Wundversorgung und der Verbandwechsel akuter oder chronischer Wunden bergen immer das Risiko einer Infektion. Sterile Wundauflagen mit antiseptischen Wirkstoffen wie PHMB können Abhilfe schaffen, da diese an die Wunde abgegeben werden und die Verbreitung der Erreger eindämmen können.15 Bei Hochrisiko-Wunden mit primär verschlossenen Inzisionen kann prophylaktisch auch eine Unterdrucktherapie eingesetzt werden.13 Sind im Rahmen der regelmäßigen, ärztlichen Nachsorge keine Hinweise auf eine Infektion zu erkennen, sollte ein Verbandwechsel erst nach 48 Stunden erfolgen.4 Im Rahmen der ärztlichen Nachsorge sollte bei ersten Anzeichen der Wounds-at-risk-Score (W.A.R.-Score) als Entscheidungshilfe für eine weiterführende Therapie einbezogen werden.15

„Surgical Care Bundle“ als Standard etablieren

Alle Maßnahmen zur Vermeidung von SSI können nur greifen, wenn diese konsequent umgesetzt werden. „Um die Compliance zu verbessern, hat es sich als effektiv erwiesen, besonders wichtige Maßnahmen zu einem Maßnahmenbündel zusammenzufassen, dieses zu trainieren und die Einhaltung durch Selbstkontrolle mittels Checkliste zu überwachen“, so Prof. Axel Kramer vom Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Universitätsmedizin Greifswald. „Dabei ist es wichtig, dass die „Surgical Care Bundle-Maßnahmen“ evidenzbasiert sind, eine hohe Wirksamkeit haben und leicht umzusetzen und gut kontrollierbar sind“, führt Kramer weiter aus. Als Bestandteile werden von ihm die aseptische Disziplin des OP-Teams, ein risikoadaptiertes präoperatives MRSA-Screening, eine Indikations- und zeitgerechte PAP, standardisierte perioperative Hautantiseptik, Normothermie, Glukosekontrolle und eine umfassende Surveillance empfohlen.

Durch die modernen Ansichten zu OP-Hygiene, Desinfektion und Wundmanagement soll es in Zukunft möglich sein, SSI-Zahlen zu senken, Krankenhäuser wieder zu einem gesünderen Umfeld zu machen und Komplikationen wie NI und SSI zu reduzieren.

"hygiene in practice" von L&R als Wissensressource

Bei der von L&R organisierten Veranstaltung am L&R Produktionsstandort in Slavkov u Brna (Tschechische Republik) trafen Experten aus Forschung & Entwicklung, Produktion und universitärer Einrichtung gemeinsam mit Fachjournalisten aus dem deutschsprachigen Raum zum Diskurs zusammen. Auch das L&R Movement „hygiene in practice“ setzt an diesem Punkt an. Denn es steht Ärzten, Hygieneexperten, Pflegern und Patienten als Wissensressource zur Seite und unterstützt sie im Kampf gegen Keime.

Thomas Menitz, COO & Senior Executive Vice President von L&R: „Unser Produktportfolio leistet einen wichtigen Beitrag zur Reduktion von Infektionen. Doch langfristig muss sich auch das Denken und Handeln in Bezug auf Hygiene und Hygienemaßnahmen ändern. Um dies zu erleichtern, hat L&R vor einem Jahr „hygiene in practice“ ins Leben gerufen. Diese Bewegung richtet sich an alle, die sich für eine saubere und sterile Arbeitsumgebung interessieren und dient ihnen als Wissensressource.“

Gemeinsam mit internationalen Experten bietet L&R medizinischen Fachkräften mit „hygiene in practice“ (www.hygiene-in-practice.com) Neuigkeiten aus aktueller Forschung, Studien-Zusammenfassungen und Einblicke in gelebte Hygiene-Praxis. Die Servicekampagne ist eine jederzeit verfügbare, praxisorientierte Wissens- und Motivationsquelle auf den Gebieten Hygiene, Mikrobiologie und Epidemiologie. Die Mission der international angelegten Bewegung ist es, Infektionsraten zu minimieren.

L&R bietet u.a. mit den Produkten zur Wundbettvorbereitung (Debrisoft), zur Wundversorgung (u.a. Suprasorb P + PHMB), dem OP-Mehrkomponentensystem Kitpack, den Sentina Einweginstrumenten und dem Disinfect Sortiment Lösungen an, die zur Reduktion des Infektionsrisikos beitragen.

Referenzen:

  1. NRZ, Deutsche Nationale Punkt-Prävalenzstudie zu nosokomialen Infektionen und Antibiotika Anwendung 2016; http://www.nrz-hygiene.de/fileadmin/nrz/download/pps2016/PPS_2016_Abschlussbericht_20.07.2017.pdf; zuletzt aufgerufen: 12.03.2019
  2. Infektionsschutz und Umsetzung der KRINKO-Empfehlungen, Antwort der Bundesregierung; Drucksache 19/6181; 28.11.2018; http://dipbt.bundestag.de/extrakt/ba/WP19/2413/241393.html; zuletzt aufgerufen: 27.02.2019
  3. Behnke M, Hansen S, Leistner R et al (2013) Nosokomiale Infektionen und Antibiotika-Anwendung. Zweite nationale Prävalenzstudie in Deutschland. Dtsch Arztebl 110:627–633
  4. Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) (2018). Prävention postoperativer Wundinfektionen. Bundesgesundheitsbl 61:448-473.
  5. Kramer, A. et al. (2018) Consensus on Wound Antiseptics. Skin Pharmacol Physiol 2018;31:28–58
  6. NRZ, Deutsche Nationale Punkt-Prävalenzstudie zu nosokomialen Infektionen und Antibiotika Anwendung 2011
  7. Cassini, A. et al. (2019) Attributable deaths and disability-adjusted life-years caused by infections with antibiotic-resistant bacteria in the EU and the European Economic Area in 2015: a population-level modelling analysis. The Lancet Infectious Diseases 19(1): 56-66
  8. Gastmeier, P. Geffers, C. (2008) Nosokomiale Infektionen in Deutschland: Wie viele gibt es wirklich? Dtsch med Wochenschr 133(21): 1111-1115
  9. Reichmann, D. (2009) Reducing Surgical Site Infections: A Review. Rev Obstet Gynecol. 2(4):212-221. Kramer, A. 2018, Consensus on Wound Antiseptics
  10. AWMF Leitlinien zur Hygiene in Klinik und Praxis - Perioperative Antibiotikaprophylaxe 2012
  11. Gesundheit – Grunddaten der Krankenhäuser 2016, Statistisches Bundesamt (Destatis).https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Gesundheit/Krankenhaeuser/GrunddatenKrankenhaeuser2120611167004.pdf?__blob=publicationFile; zuletzt aufgerufen am 27.02.2019
  12. Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut (RKI). Bundesgesundheitsbl 2016;59:1189–1220.
  13. Global Guidelines for the Prevention of Surgical Site Infection. World Health Organization. http://www.who.int/gpsc/global-guidelines.web.pdf
  14. Arens, S. (2007) Postoperative Antibiotika. Trauma Berufskrankh 9(3):380-383.
  15. Dissemond, J. et al. (2011) Classification of Wounds at Risk and Their Antimicrobial Treatment with Polihexanide: A Practice-Oriented Expert Recommendation. Skin Pharmacol Physiol 24:245-255

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