Labor & Diagnostik

Patientennahe Labordiagnostik unter der Lupe

Vernetzte Strukturen und die neue RiLi-BÄK

22.03.2010 -

Viele personelle und technische Strukturen sind notwendig, damit Patientennahe Labordiagnostik, kurz POCT für Point-of-Care Testing, in medizinischer und ökonomischer Hinsicht optimal organisiert werden kann und auch den gesetzlichen Regelungen zur Qualitätssicherung entspricht. Frau Dipl.-Biol. Beate Rühlemann sprach mit Prof. Dr. Dr. Norbert Gässler über wichtige Aspekte und Herausforderungen für Verantwortliche in Krankenhaus und Industrie. Prof. Dr. Dr. Gässler ist Mitglied der „Arbeitsgruppe POCT" im Rahmen der DGKL und im Zentrum für Labordiagnostik des St. Bernward Krankenhauses in Hildesheim tätig.

M&K: Alle POCT-Messungen sind den Richtlinien der Bundesärztekammer unterworfen. Unter anderem sind hier die Durchführung von Qualitätskontrollen unter Einhaltung vorgegebener Werte geregelt. Am 31.3.2010 endet die Übergangsfrist und es gilt die neue Richtlinie zur Qualitätskontrolle quantitativer laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen (RiLi-BÄK 2008). Welche wesentlichen Faktoren ändern sich künftig in Bezug auf das POCT-Qualitätsmanagement? Nennen Sie bitte einige Stichpunkte.

Prof. Dr. Dr. Norbert Gässler:
Für die Durchführung der patientennahen Sofortdiagnostik, die ohne Probenvorbereitung als Einzelprobenmessung durchgeführt und zur unmittelbaren Ableitung therapeutischer Konsequenzen erfolgt, gelten folgende Punkte: Erstens die Häufigkeit der Kontrollprobeneinzelmessungen. Hier sind mindestens zwei Kontrollproben mit unterschiedlichen Konzentrationsbereichen pro Kalenderwoche gefordert, wenn ein elektronischer beziehungsweise physikalischer Standard am Gerät gemessen wird und eine integrierte Prüfung der Gerätefunktion verhindert, dass fehlerhafte Messergebnisse ausgegeben werden. Sind o.g. Bedingungen nicht vorhanden, so sind mindestens zwei Kontrollproben mit unterschiedlichen Konzentrationsbereichen pro 24 Stunden erforderlich. Außerdem sind zusätzliche Kontrollprobeneinzelmessungen erforderlich nach Kalibration durch den Anwender, nach Durchführung von Reparatur und Wartung und beim Wechsel der Reagenzien.

Wie sieht es mit der Dokumentation aus?


Gässler: Damit wären wir beim zweiten Punkt. Diese wird sich aufwendiger gestalten als bisher. Gefordert sind die Bezeichnung des medizinischen Laboratoriums und die des Messplatzes, Datum und Uhrzeit der Messung, Analyt, Probenmaterial, Einheit, Messmethode, Kontrollprobenmesswert, Zielwert der Kontrollprobe, die relative oder die absolute Abweichung vom Zielwert. Außerdem die Bewertung nach RiLi-BÄK Tabelle B1a-c beziehungsweise an den laboratoriumsintern ermittelten Fehlergrenzen oder den Bereichen des Herstellers der Kontrollproben, ebenso Freigabe- oder Sperrvermerk, Hersteller, Bezeichnung und Chargennummer der Kontrollprobe sowie Name/Namenszeichen oder die Unterschrift des Untersuchers.

Welche Rolle kommt künftig einer POCT-Kommission zu?

Gässler: Die POCT-Kommission muss in erster Linie das Anwenderpersonal schulen und die Einhaltung der RiLi-BÄK als Qualitätsmerkmal überwachen.

Was ist bezüglich der Geräteauswahl zu beachten?

Gässler:
POCT-Geräte sollten über integrierte Funktionen verfügen, die verhindern, dass fehlerhafte Messergebnisse ausgegeben werden, zum Beispiel bei nicht erfolgter oder fehlerhafter Messung von Qualitätskontrollproben. Aufgrund des hohen Aufwands für die Dokumentation sollten POCT-Geräte über Schnittstellen verfügen, um die erforderlichen Daten elektronisch zu verarbeiten beziehungsweise weiterzugeben.

Was kostet die Einführung von POCT ein Krankenhaus mittlerer Größe?


Gässler: Allein die Umstellung im POCT-Bereich „Blutzucker" ist sehr kostenintensiv. Derzeit sind in unserem Hause ca. 80 Geräte für die kapilläre Glukosebestimmung auf Stationen und Ambulanzen im Einsatz. Diese Geräte können ab 1. April 2010 nur noch benutzt werden, wenn täglich mindestens zwei Kontrollen gemessen werden, d.h. jährlich ca. 50.000 Messungen nur für die Qualitätskontrolle. Bisher reichten zwei Kontrollmessungen je Woche und Gerät aus (4.160 Messungen/a). Um auch weiterhin die Frequenz der Kontrollmessungen beizubehalten, werden wir erstens die alten Blutzuckermessgeräte gegen neue intelligente und vernetzungsfähige Geräte austauschen und zweitens die Zahl der Geräte auf 45 verringern. Dennoch sind hierfür 72.500 € notwendig, zur Anschaffung der Geräte und auch für die notwendige Software.

Ist POCT damit tatsächlich günstiger als die Labordiagnostik im Zentrallabor? Ab wann lohnt sich POCT in ökonomischer Hinsicht?

Gässler:
Beim POCT stehen die Analysengeräte definitionsgemäß nahe am Patientenbett, oder entsprechende Geräte werden zum Patienten gebracht, um dort die Analytik durchzuführen. Da die Probennahme meist kapillär durchgeführt wird, kann hierdurch ein deutlicher Zeitvorteil erreicht werden. Die eigentliche Analytik erfolgt mittels POCT sehr schnell. Die sich im Labor anschließenden Prozesse wie technische und medizinische Validierung, Befundausdrucke etc. entfallen beim POCT sehr häufig. Die hierfür direkt zuzuordnenden Personalkosten sind deutlich geringer als die vergleichbaren Personalkosten des Laboratoriums. Die postanalytischen Maßnahmen, zum Beispiel Befundübermittlung, technische und medizinische Validierung, Auswertung der Qualitätskontrolle und anderes müssen aber auch bei der POCT-Analytik berücksichtigt werden. Diese Maßnahmen sind entsprechend der RiLi-BÄK verpflichtend und werden in der Regel vom Zentrallabor organisiert.
Am Beispiel der kapillären Blutglukosemessung kann festgestellt werden, dass die patientennahe Sofortdiagnostik lediglich geringfügig teurer ist als die Glukosebestimmung im Zentrallabor. Dies erklärt sich durch die mehr als doppelt höheren Sachkosten für den Teststreifen und die geringeren Personalzeiten beziehungsweise Personalkosten. Dieser Vergleich ist jedoch sehr individuell und hängt von vielen Faktoren ab, z.B. davon, ob eine Rohrpost vorhanden ist und wie zentral das Laboratorium innerhalb der Klinik liegt und vieles mehr.

Kontakt

St. Bernward Krankenhaus

Treibestr. 9
31134 Hildesheim
Deutschland

+49 5121 9016 81

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