Labor & Diagnostik

Weit vom „Knöpfchendrücker“ entfernt

MTLAs im Wandel von Gesundheitswesen zur Gesundheitswirtschaft

08.04.2010 -

Vom Gesundheitswesen zur Gesundheitswirtschaft; dieser Wandlung ist insbesondere auch die Labormedizin unterworfen. Die MTLA bedient heute komplexe Automatenstraße, und benötigt dafür neben ihrer analytischen Kompetenz Wissen in der Elektro- und Informationstechnik. „Die Gesundheitswirtschaft ist eine der größten Wachstumsbranchen in Deutschland.", stellten die Regierungsparteien in ihrem Wahlprogramm fest. Wohlgemerkt Gesundheitswirtschaft; sie reden nicht mehr von einem Gesundheitswesen. Ein Wandel, der sich auch für die medizinisch-technischen Laboratoriumsassistentinnen (MTLA) bemerkbar macht.

Laut dem im Dezember 2009 veröffentlichten Gutachten zur Weiterentwicklung der nichtärztlichen Heilberufe des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) sind derzeit sechs Prozent der MTLA-Stellen an Deutschen Krankenhäusern noch nicht besetzt. Die Anzahl der MTLA ist dennoch seit 2000 kontinuierlich um 14% gesunken. Bis 2020 besteht laut dem Gutachten kein nennenswerter Mehrbedarf aufgrund der voranschreitenden Automatisierungstechnik und bestehendem Rationalisierungspotential. Für die verbleibenden MTLA steigt damit die Anzahl der zu verarbeitenden Proben je Mitarbeiter weiter an.

Vom Arbeiter zum Dienstleister

Das bisherige Berufsbild, vor allem in der Klinischen Chemie, war vom Abarbeiten fertiger Laboraufträge geprägt. Das Röhrchen spricht nicht und ist im Vergleich zu einem Patienten anspruchslos. Tatsächlich ist die MTLA aber vom Arbeiter zum Dienstleister geworden. War es früher üblich, mit festen Annahmezeiten zu arbeiten, verschwimmt die Grenze zwischen Routine- und Nichtroutine zunehmend. Moderne Analysensysteme messen heute ein großes Analysenspektrum in einem Durchgang, so dass nicht vital wichtige Parameter ohnehin mit der gleichen Messung wie vital wichtige Parameter zur Verfügung stehen. Es gibt also technisch keinen Grund, diese Analytik auf bestimmte Uhrzeiten zu beschränken. Diese Entwicklung trägt auch den steigenden Anforderungen der ambulanten Einsender Rechnung, die ihre Sprechstunden bis in den Abend planen. Die MTLA muss sich damit auf längere Schichten oder häufigere Dienste einstellen, mehr Geräte beherrschen und mit einem zunehmenden Probenaufkommen auch zu unbequemen Uhrzeiten zurechtkommen. Zeitverträge anstatt einer unbefristeten Anstellungen sind dabei bereits keine Seltenheit mehr.

Drehscheibe Labor

Mit steigender Komplexität der Analytik steigen die Anforderungen an die MTLA hinsichtlich der interdisziplinären Zusammenarbeit. Der Einsender will schnell informiert sein und ruft im Zweifel im Labor an, bevor er im Klinikinformationssystem nach den Werten sucht. Die Kollegen/innen müssen dann ihre Arbeit für Auskünfte aller Art unterbrechen, sich auf einen anderen Patienten und einen anderen Untersuchungskontext einstellen, um danach den Arbeitsgang wieder aufzunehmen. Patienten und Mitarbeiter aus anderen Ländern und Kulturkreisen erfordern zusätzliche interkulturelle Kompetenz. Nicht selten verdienen heute deutsche Krankenhäuser Geld mit ausländischen Patienten, deren Leistungen Bar abgerechnet werden und auf deren Kleiderordnung, Schamgefühl oder Eßgewohnheiten sich die Häuser einstellen müssen.

Lebenslanges Lernen

Eine MTLA benötigt aktuelles Wissen, um diesen Anforderungen gerecht zu werden. Auch auf Gebieten, die nicht Bestandteil ihrer Ausbildung waren. So sehen die Berufsangehörigen der MTA-Berufe laut einer Umfrage des Österreichischen MTA-Dachverbandes die Informationstechnik und das Qualitätsmanagement als eine der wichtigsten Herausforderungen der Zukunft an. Als Arbeitsgeräte verwenden MTLA zunehmend große, teils Roboter gestützte Analysenstraßen, die eine automatisierte Präanalytik bieten. Das Probenmaterial wird automatisch zentrifugiert und pipetiert. Die MTLA muss zusätzlich zu ihrer analytischen Kompetenz insbesondere auch die Grenzen und Fehlerquellen der Automatisierungstechnik und das Zusammenspiel der vorhandenen EDV-Systeme kennen. Eine Flut von Ergebnissen muss in kurzer Zeit validiert und auf Plausibilität geprüft werden. Fallen Komponenten der Anlage aus, muss die MTLA gar in der Lage sein, Ausfallsysteme in ein EDV-Netzwerk einzubinden. Aufgaben, die die MTLA weit vom Image des „Knöpfchendrückens" distanzieren. Auch für die Zeit nach der Automatisierungstechnik ist bereits gesorgt. Die Diagnostikahersteller arbeiten an der Miniaturisierung der klassischen Klinischen Chemie; Stichwort ist das Lab on the Chip. Zukünftig wird auf einer daumennagelgroßen Fläche die Analytik einer Analysenstraße unterzubringen sein, die heute eine Fläche von mehreren Quadratmetern beansprucht. Die daraus resultierende Datenmenge wird nur noch unter Zuhilfenahme von EDV-Systemen und mit qualifizierten MTLA auszuwerten sein. Folglich wird die Anzahl der für eine MTLA zu bedienenden Arbeitsplätze ab-, deren Funktionstiefe aber dafür zunehmen.

Konsequenzen für die Ausbildung

Schon heute ist die Ausbildung der MTA-Berufe an Berufsfachschulen kaum mehr umzusetzen. Die Anforderungen, die eine Gesundheitswirtschaft, die Wissenschaft und Technik an die MTA-Berufe stellen, machen einen zeitnahen Übergang zur Ausbildung an Fachhochschulen unumgänglich. Ein Schritt, den nicht nur unsere deutschsprachigen europäischen Nachbarn bereits vollzogen haben. Um auf die Veränderungen im Gesundheitswesen zu reagieren, erschließt sich einer akademisch ausgebildeten MTLA laut Herrn Prof. Gässler gar die Leitung eines medizinischen Labors. Nur so könne garantiert werden, dass eine sinnvolle, qualitativ hochwertige, schnelle und wirtschaftliche Labordiagnostik zukünftig allen Patienten zur Verfügung steht.

Kontakt:
Andrea Michelsen
, MTLA und Biomedizinische Fachanalytikerin für Klinische Chemie und Pathobiochemie (DIW-MTA) dvta Fachrichtungsvorsitzende für Laboratoriums-/Veterinärmedizin, Laborleitung am Ortenau Klinikum Lahr-Ettenheim

Andreas Pfeiffer, MTRA, Fachjournalist Fachbereichsleiter Systeme am Klinikum Stuttgart, Servicecenter Informationstechnik

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