Gesundheitsökonomie

Ärztemangel im Krankenhaus – Gegenmaßnahmen

27.05.2011 -

Weil der Ärztemangel im Krankenhaus ein gravierendes Problem der stationären Versorgung ist, beauftragte die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) das Deutsche Krankenhausinstitut (DKI) mit einer Studie zur aktuellen und künftigen Situation im Ärztlichen Dienst (ÄD) der Kliniken.

Das Projekt umfasste zwei Forschungsmodule: eine schriftliche Repräsentativbefragung von insgesamt 450 Krankenhäusern sowie Sekundäranalysen der amtlichen Krankenhausstatistik (Statistisches Bundesamt) und der Ärztestatistik der Bundesärztekammer.

Von 2000 bis 2008 stieg die Zahl der hauptamtlichen Ärzte in Krankenhäusern zwar um 27.700 auf 139.300 Ärzte. Dieser Anstieg um 25% ist aber maßgeblich durch statistische Effekte wie der Zunahme der ärztlichen Teilzeitkräfte, der Abschaffung des Arztes im Praktikum und einer damit verbundenen Änderung in der amtlichen Statistik sowie durch Arbeitszeitverkürzungen in Folge des neuen Arbeitszeitrechts zu erklären.

Die Studie betrachtet ausführlich das Ausmaß und die Ursachen des Ärztemangels. Besonders interessant, weil auf die unmittelbare Zukunft ausgerichtet, sind die Konsequenzen, die das DKI aus dem umfangreichen Datenmaterial zieht. Sie werden im Folgenden dargestellt.

Gegenmaßnahmen zum Ärztemangel

Zur Bekämpfung des Ärztemangels setzen viele Krankenhäuser finanzielle Anreizinstrumente ein. Am weitesten verbreitet ist die finanzielle Unterstützung für Kosten von Fortbildung, Kongressen etc. Mehr als die Hälfte der Häuser bietet das an. Weitere oft genutzte Instrumente sind außer- oder übertarifliche Bezahlungen, Leistungsprämien oder Boni sowie die Vorweggewährung von Aufstiegsstufen. Diese Anreize setzen überproportional Krankenhäuser mit Stellenbesetzungsproblemen ein. Ein breiter Einsatz finanzieller Instrumente ist also eine Reaktion auf den Ärztemangel und bislang keine wirksame Gegenmaßnahme.

Zur Behebung des Ärztemangels beauftragen mehr als 60% der Krankenhäuser Personalagenturen zur Arztsuche oder beschäftigen Honorarärzte. 39% der Häuser akquirieren gezielt Ärzte aus dem Ausland. Ein Viertel der Einrichtungen beschäftigt zeitlich befristet Vertragsärzte als Angestellte. Die Ergebnisse zeigen, dass Honorarärzte und teilweise ausländische Ärzte zur Kompensation des Ärztemangels eingesetzt werden.

Mehr als die Hälfte der unbesetzten Arztstellen in Krankenhäusern betreffen Assistenzärzte in Weiterbildung. Daher haben Instrumente zur Förderung ärztlicher Weiterbildung eine besondere Bedeutung: Standardisierte Weiterbildungspläne, regelmäßige Weiterbildungsgespräche und Zusagen zur Einhaltung der vorgesehenen Weiterbildungszeiten sind üblich. Dagegen sind Tutoren- oder Mentorensysteme sowie feste Lernziele je Weiterbildungsperiode seltener anzutreffen. Häuser, die standardmäßig Instrumente einsetzen, weisen einen etwas geringeren Ärztemangel auf. Eine mitarbeiterorientierte Organisation der Weiterbildung beugt Stellenbesetzungsprobleme im ÄD zumindest teilweise vor.

Mit Blick auf familienfreundliche Arbeitsbedingungen bieten 19% der Häuser betriebliche Belegplätze in Kinderbetreuungseinrichtungen der Umgebung an, 15% halten betriebseigene Betreuungseinrichtungen vor. Erstere finden sich häufiger im Angebot von Kliniken mit Ärztemangel. Letztere können dagegen teilweise Abmilderung schaffen.

Eine systematische Personalentwicklung kann die Arbeitsplatzattraktivität erhöhen. Entsprechende Instrumente sind im ÄD weniger verbreitet als im Pflegedienst. So werden in mehr als 40% der Krankenhäuser schriftliche Einarbeitungskonzepte und strukturierte Mitarbeitergespräche oft eingesetzt. In knapp einem Drittel aller Kliniken kommen standardmäßig Zielvereinbarungsgespräche, schriftliche Stellen- und Tätigkeitsbeschreibungen oder Weiterbildungskonzepte zur Anwendung. Teils lassen sich positive Effekte bestimmter Personalentwicklungsmaßnahmen auf den Ärztemangel beobachten.

Ferner haben gezielte Maßnahmen zur Vermeidung oder zum Abbau von Mehrarbeit einen mildernden Effekt auf den Ärztemangel. In Krankenhäusern, die entsprechende Maßnahmen durchführen, sind durchschnittlich weniger Arztstellen unbesetzt. Bewerten Ärzte ihre Arbeitsbelastungen und Arbeitszeiten eher positiv, fällt der Ärztemangel in diesen tendenziell niedriger aus.

Die wichtigsten politischen Gegenmaßnahmen bilden aus Sicht der Krankenhäuser vor allem der Bürokratieabbau im ÄD, der Abbau von MDK-Anfragen-/Prüfungen, der Ausbau der Studienkapazitäten in der Humanmedizin sowie die Änderung der Zugangs- oder Auswahlkriterien für das Medizinstudium. Auch wird die Ausweitung des rechtlichen Rahmens zur Delegation ärztlicher Tätigkeiten an vorhandene Berufsgruppen sowie die Etablierung und rechtliche Anerkennung neuer Aus- und Weiterbildungen zur Übernahme ausgewählter ärztlicher Tätigkeiten als besonders relevant eingestuft.

Handlungsempfehlungen

Die bestehenden Versorgungsgrenzen zwischen ambulantem und stationärem Sektor sind abzubauen, um eine effektive Nutzung der knappen Personalressourcen in der fachärztlichen Versorgung zu ermöglichen. Das heißt zum einen die weitgehende und regelhafte Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante Versorgung. Zum anderen sollten auch freiberufliche Fachärzte stärker als bisher im Krankenhaus mitwirken, etwa als Honorar- oder Konsiliarärzte, über Teilzeitanstellungen, im Rahmen von Praxen oder MVZ auf dem Klinikgelände etc.

Künftig wird es nötig sein, die Ärzte durch eine weiter gehende Delegation ärztlicher Tätigkeiten umfassend zu entlasten. Die Tätigkeiten können an etablierte Gesundheitsberufe (z.B. Pflege- oder MTA-Berufe) oder an neue Berufsgruppen delegiert werden, deren Tätigkeitsprofil maßgeblich durch die Übernahme bislang ärztlicher Tätigkeiten definiert ist. Darum sind delegierbare Tätigkeiten genau festzulegen, Anforderungs- und Kompetenzprofile zu definieren und erforderliche qualifikatorische und rechtliche Voraussetzungen zu schaffen.

Der Ärztemangel lässt sich teilweise durch eine Entbürokratisierung der ärztlichen Arbeit zurückfahren. Der Trend einer fortwährenden Ausweitung von Dokumentationsanforderungen durch Politik, Selbstverwaltung, Kostenträger und MDK muss gestoppt und umgekehrt werden. Die Kliniken können ihrerseits etwa durch Standardisierung und Delegation der genannten Aufgaben sowie durch innovative technische Lösungen zur Reduktion des Dokumentationsaufwandes beitragen. Zudem sollte die Qualität der ärztlichen Weiterbildung verbessert werden. Für eine strukturierte und mitarbeiterorientierte Weiterbildung gibt es viele Instrumente (z.B. Tutoren- oder Mentorensysteme, standardisierte Weiterbildungspläne). Ferner sind die Weiterbildungsordnungen auf Straffungs- und Verschlankungspotentiale zu überprüfen, um die Absolvierung der Facharztweiterbildung in der Regelweiterbildungszeit zu gewährleisten. Auch eine Differenzierung oder Modularisierung der Weiterbildung nach künftigen Einsatzbereichen sollte überprüft werden.

Familienfreundliche Arbeitsbedingungen sind wesentlicher Standort- und Wettbewerbsfaktor. Eine bedarfsgerechte betriebliche Kinderbetreuung ist Voraussetzung, um Beruf und Familie zu vereinbaren. Auch flexible Arbeitszeiten, die Möglichkeit zur Weiterbildung in Teilzeit oder Kontakthalte- und Wiedereinstiegsprogramme während der Elternzeit sind wichtig.

Eine systematische Personalentwicklung ist ein aktiver Beitrag zur Mitarbeiterorientierung und -bindung. Hierzu existieren viele Instrumente, wie strukturierte Einarbeitungs-, Fort- und Weiterbildungskonzepte, Karriereplanung etc. Gerade beim Ärztlichen Dienst besteht Nachholbedarf. Das Gleiche gilt mit Blick auf eine stärkere Arbeitszeitflexibilisierung und die Verhinderung von Mehrarbeit.

Trotz aller krankenhausseitigen Verbesserungsmöglichkeiten handelt es sich beim Ärztemangel im Krankenhaus um ein Problem, das stark durch den Mangel an verfügbaren Fachkräften bedingt ist. Daher sind mit Blick auf das Medizinstudium zum einen die Drop-Out-Raten während des Medizinstudiums und in der Übergangsphase zwischen Studium und Aufnahme der ärztlichen Tätigkeit zu senken. Darum sind das Medizinstudium ggf. noch attraktiver und praxisnäher zu gestalten sowie ergänzend zum Numerus clausus andere Auswahlkriterien für das Medizinstudium zu entwickeln. Auch sollten die Studienkapazitäten erhöht werden. Sie sollten stärker am künftigen Ärztebedarf unter Berücksichtigung der erwarteten Drop-Out-Raten ausgerichtet werden.

Kontakt

Deutsches Krankenhausinstitut e.V.

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