Hygiene

Prof. Hermann Haller im Interview: erstes hypoglykolisiertes Erythropoetin gegen renale Anämie

14.03.2012 -

Prof. Hermann Haller im Interview: erstes hypoglykolisiertes Erythropoetin gegen renale Anämie. Mit Darbepoetin alfa (Aranesp) steht seit 2001 der erste langwirksame Erythropoese-stimulierende Faktor (ESF) zur Verfügung, der sich gegenüber konventionellem Erythropoetin durch eine höhere biologische Effektivität und durch längere Dosierungsintervalle bis hin zur einmal monatlichen Gabe auszeichnet. Über den Stellenwert langwirksamer ESF im Anämie-Management sprach für Management & Krankenhaus Marianne E. Tippmann mit Prof. Hermann Haller, Direktor der Abteilung für Innere Medizin/ Nephrologie an der Medizinischen Hochschule Hannover.

Management & Krankenhaus: Worin unterscheidet sich Darbepoetin alfa strukturell von Epoetin alfa?

Hermann Haller: Die Neuerung bei Darbepoetin alfa besteht darin, dass die Glykosylierung, also die Zuckerreste am Protein, verändert wurde: Durch Austausch von fünf Aminosäuren konnten zwei zusätzliche Kohlenhydratseitenketten in das Molekül eingebaut und damit mehr Bindungsstellen für Sialinsäure geschaffen werden. Mit einem höheren Sialinsäure- Gehalt nimmt wiederum die Serumhalbwertszeit von Eryt hropoetin- Isoformen zu. Dieses insgesamt aufwändige Verfahren wird als Glyco-Engineering bezeichnet und stellt einen völlig neuen Zweig innerhalb der pharmazeutischen Industrie dar: Rekombinant hergestellte Moleküle werden in wesentlichen Eigenschaften so modifiziert, dass ein innovativer Wirkstoff entsteht. Der Weg dahin ist allerdings sehr mühsam.

Management & Krankenhaus: Was genau bewirkt dieses Glyco-Engineering?

Hermann Haller: Was man angestrebt und letztlich auch mit dem neuen Eryt hropoese- stimulierenden Protein erreicht hat, ist eine verlängerte Serumhalbwertszeit. Verglichen mit der Vorgängersubstanz weist Darbepoetin alfa aufgrund seines erhöhten Kohlenhydrat- und Sialinsäure- Anteils eine zwei- bis viermal längere Halbwertszeit und damit eine deutlich höhere biologische Aktivität in vivo auf. Die Serumkonzentration bleibt länger oberhalb des erythropoetischen Schwellenwertes, was in einer effizienten kontinuierlichen Stimulation der Erythropoese resultiert. Für den anämischen Patienten bedeutet dies nicht nur, dass die Substanz in längeren Intervallen als herkömmliche kurzwirksame Erythropoetine applizierbar ist, sondern man muss auch weniger von ihr geben, um die gleiche Wirkung zu erzielen.

Management & Krankenhaus: Nun sind ja für das Anämie-Management bei terminaler Niereninsuffizienz bestimmte Zielbereiche für den Hb-Wert vordefiniert. Wie lauten hier die aktuellen Empfehlungen der KDOQI-Guidelines?

Hermann Haller: Nach den neuen KDOQIGuidelines vom Mai 2006 liegt die untere Grenze des optimalen therapeutischen Hb-Zielbereichs bei 11,0 g/dl, die Obergrenze bei 13,0 g/dl. Diese Werte werden mit dem besten Überleben der Patienten assoziiert.

Management & Krankenhaus: Mit welchen Komplikationen ist ein zu hoher Hb verbunden, mit welchem Outcome ein zu niedriger Hb assoziiert?

Hermann Haller: Die Anpassung der KDOQI- Guidelines resultiert aus der kritischen Überprüfung der Studienlage zur prognostischen Relevanz von Hb-Werten. Es gibt zahlreiche große Erhebungen, die zeigen, dass das Anheben des Hb-Wertes über 11 g/ dl neben einer Verbesserung der Lebensqualität auch zu einer besseren Prognose der Patienten hinsichtlich Morbidität und Mortalität führt. Ein zu niedriger Hb beeinträchtigt die Leistungsfähigkeit des Patienten. Der Organismus versucht, dies zu kompensieren, das Herz pumpt mehr, was die Entwicklung einer linksventrikulären Hypertrophie begünstigt. Schon bei einem zeitweisen Unterschreiten des Hb-Zielbereichs, für das natürlich auch weitere Faktoren, wie z.B. Eisenverluste, ursächlich sein können, erhöht sich das Mortalitäts- und Hospitalisierungsrisiko für den Patienten. Was man allerdings auch beobachten konnte, ist eine Art U-Kurve zwischen Hb und Outcome: Geht der Hb zu hoch, kommt es zu Veränderungen im Strömungsverhalten des Blutes und damit zu einer Belastung des vaskulären Systems, die von einer verstärkten Neigung zur Hypertonie bis hin zu Thrombosen reichen kann. In zwei jetzt publizierten Studien, der CREATE- und der CHOIRStudie, ließ sich zudem sehr eindrucksvoll zeigen, dass eine Anhebung des Hb-Spiegels über 13 g/dl keinen zusätzlichen Benefit für den Patienten bringt. Insgesamt nehmen also die Komplikationen zu, wenn der Hb-Wert nicht gut in den Zielbereich von 11–13 g/dl eingestellt ist, d.h. eine dauerhaft stabile Hb-Einstellung ist als Sicherheitsparameter zu betrachten.

Management & Krankenhaus: Gibt es klinische Studien, in denen diese Stabilität nach evidenzbasierten Kriterien an dialysepflichtigen CKDPatienten nachgewiesen wurde?

Hermann Haller: Inzwischen gibt es zahlreiche prospektive klinische Studien, in denen nachgewiesen werden konnte, dass nach Umstellung von einer 2–3 x wöchentlichen Gabe eines kurzwirksamen ESF auf eine wöchentliche Applikation von Darbepoetin alfa signifikant mehr Patienten den Hb-Zielbereich erreichen, unabhängig davon, ob es intravenös oder subkutan verabreicht wurde. Gleiches gilt für die Umstellung von 1x wöchentlich konventionelles Erythropoetin auf 1 x 14-tägig Darbepoetin alfa. Und das ist nur eine relevante Erkenntnis aus den Untersuchungen, die für einen langwirksamen ESF spricht: Die Applikationsfrequenz lässt sich deutlich vermindern, was für die Patienten natürlich sehr entlastend ist und damit wesentlich zu einer verbesserten Lebensqualität beiträgt. Die zweite Frage war: Kommt es bei Intervallverlängerung tatsächlich auch zu einer Dosiseinsparung? Und auch hier war das Ergebnis verschiedener Studien sehr eindeutig, die ganz klar zeigten, dass der zur Aufrechterhaltung der Hb-Spiegel erforderliche Dosisbedarf für Aranesp zum Teil erheblich unter dem äquimolaren Konversionsverhältnis 1:200 lag. Abhängig davon, wie viel Erythropoetin der Patient zur Behandlung seiner renalen Anämie benötigt, reicht die Dosisreduktion von 14 % bis 25 % – bei einem wöchentlichen Dosisbedarf von 6.000 IE sogar bis 33 %.

Management & Krankenhaus: Profitieren auch nicht-dialysepflichtige Patienten von der unter Darbepoetin alfa reduzierten Applikationsfrequenz?

Hermann Haller: Keine Frage – die geschilderten Verbesserungen treffen natürlich auch für nicht-dialysepflichtige Patienten zu. Seit die monatliche subkutane Gabe von Darbepoetin alfa zugelassen ist – das ist jetzt gut zwei Jahre her – profitieren die vorher mit einer 1 x 14-tägigen Applikation stabil eingestellten Patienten von dem verlängerten Dosierungsregime.

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