Auszeichnungen

ERC Starting Grants für Charité-Forschende

23.11.2022 - ERC Starting Grants gehören zu den höchsten europäischen Auszeichnungen. Erneut konnten sechs aufstrebende Forschende der Charité – Universitätsmedizin Berlin, darunter Forschende mit Gruppen an Charité, Berlin Institute of Health in der Charité (BIH), Max Delbrück Center und Deutschem Rheumaforschungszentrum (DRFZ), den Europäischen Wissenschaftsrat überzeugen.

Ihre zukunftsgerichteten Vorhaben beschäftigen sich unter anderem mit der Frage, wie sich Krankheiten verhindern oder aber möglichst frühzeitig erkennen lassen. Auch wollen sie bestehende Therapieansätze, beispielsweise für Krebserkrankungen oder Herzschwäche, weiter voranbringen. Für den Aufbau der neuen Arbeitsgruppen stehen in den kommenden fünf Jahren jeweils rund 1,5 Millionen Euro des European Research Council (ERC) bereit.

Es sind visionäre und grundlagenorientierte Ideen, die die ausgewählten Nachwuchsforscher verfolgen. Ihre Projekte sind mit Wagnis verbunden, zugleich bergen sie das Potenzial wissenschaftlich bedeutsamer Neuerungen in ihrem jeweiligen Feld. „Mit insgesamt drei Advanced Grants, zwei Consolidator Grants und sieben Starting Grants blickt die Charité auf ein herausragendes Jahr 2022 in den Förderlinien des ERC zurück“, sagt Prof. Dr. Christian Hagemeier, Prodekan für Forschung mit präklinischem Schwerpunkt an der Charité. „Das ist eine großartige Leistung der einzelnen Forschenden und eine Auszeichnung für die Charité als ein Standort, an dem bahnbrechende Forschung umgesetzt wird.“

Die neuen ERC Starting Grants im Einzelnen:
Wie sich Leukämiezellen und Immunzellen begegnen – InteractOmics

Leukämie oder auch Blutkrebs entsteht aus unreifen Immunzellen, die sich nicht mehr weiterentwickeln, sondern nur noch immerfort teilen und das Blut überschwemmen. Dort treffen sie auf reife und aktive Immunzellen, die sie entweder erkennen und abtöten oder aber entkommen lassen. Der Molekularbiologe Dr. Simon Haas leitet eine Nachwuchsgruppe im gemeinsamen Forschungsfokus Single-Cell-Ansätze für die personalisierte Medizin des BIH, der Charité und des Max Delbrück Centers. Er ist spezialisiert auf Einzelzellanalysen und möchte herausfinden, wovon es abhängt, wer in diesem Kampf gewinnt und warum die Immuntherapie mal gut funktioniert und mal nicht. „Wir können extrem gute Momentaufnahmen machen“, erklärt Dr. Haas. „Dabei sehen wir, welche Zellen in einem Gewebe vorhanden sind, welche Zellen zu einem bestimmten Zeitpunkt aktiv sind, wie sie sich verändern oder welche Proteine sie produzieren. Das ist nützlich, wenn man wie wir wissen möchte, wie viele aktive Immunzellen im Blut auf wie viele Leukämiezellen treffen.“ Um die Interaktion zwischen diesen Zellen besser zu verstehen, will Dr. Haas mit seinem Team die Methodik der Single-Cell-Analyse weiterentwickeln und statt einzelner Zelltypen Millionen von Zellpaaren untersuchen. Grundlage hierfür sollen Proben von Leukämiepatienten sein, denn das Fernziel ist es, die Immuntherapie weiterzuentwickeln, damit mehr Erkrankten geholfen werden kann.

Gefäßfehlbildungen erkennen und individuell behandeln

Angeborene Fehlbildungen der Blut- und Lymphgefäße, sogenannte Gefäßmalformationen, zählen zu den Seltenen Erkrankungen. Sie können in allen Körperregionen vorkommen und Haut, Muskeln oder Organe betreffen. Mal sind es kleinere Blutgefäßerweiterungen, mal können ganze Extremitäten oder Organe in Mitleidenschaft gezogen sein. Einige der Betroffenen haben keine bis leichte Beschwerden, in anderen Fällen können die Fehlbildungen zu lebensgefährlichen Erkrankungen führen. Dr. Dr. René Hägerling ist Arzt und Wissenschaftler am Institut für Medizinische Genetik und Humangenetik der Charité. Er leitet die Abteilung Lymphovaskuläre Medizin und Translationale 3D-Histopathologie im BIH und ist Fellow des BIH Charité Clinician Scientist Programms. „Das Wissen über Gefäßmalformationen ist sehr begrenzt, sodass Betroffenen trotz der Schwere und Voranschreiten des Krankheitsbildes oft keine eindeutige Diagnose gegeben oder Heilung ermöglicht werden kann“, sagt der Mediziner. „Inspiriert durch die Präzisionsmedizin in der Onkologie haben wir ein Versorgungskonzept entworfen, das auf Basis personalisierter Medizin eine bessere Behandlung bietet.“ Neuartige 3D-histologische und molekulargenetische Verfahren sollen künftig zur Aufklärung der Krankheitsursache beitragen. Zusätzliche Screenings ermitteln individuell, welche pharmakologischen Therapien sinnvoll sind. Das Team um Dr. Hägerling ist davon überzeugt, dass ein solches Konzept auch auf andere Seltene Erkrankungen übertragbar ist und die Versorgung insgesamt verbessert.

Der Dialog zwischen Stroma- und Immunzellen im Darm

Intestinale Fibrose, eine Verhärtung von Gewebeteilen des Darms, ausgelöst durch eine krankhafte Vermehrung des Bindegewebes, ist eine häufige und schwerwiegende Komplikation bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED). Bisher gibt es kein spezifisches Medikament, das die Vernarbung verhindern oder rückgängig machen könnte. Stromazellen, Zellen, die ein Organ wie den Darm stützen und versorgen, haben eine zentrale Rolle beim Entstehen von Fibrose. Wie Signale des Immunsystems aber die Bildung des faserigen Bindegewebes steuern, darüber ist bis heute nur wenig bekannt. Lichtenberg-Professor Dr. Dr. Ahmed N. Hegazy arbeitet an der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Gastroenterologie, Infektiologie und Rheumatologie am Charité Campus Benjamin Franklin. Daneben leitet er eine Liaison-Arbeitsgruppe an der Charité und am Leibniz-Institut Deutsches Rheuma-Forschungszentrum Berlin (DRFZ), die sich intensiv mit Entzündungsmechanismen auseinandersetzt. Mit seinem Team möchte Prof. Hegazy nun den Ursachen der gestörten Gewebereparatur auf die Spur kommen. „Derartige Gewebeveränderungen sind bei chronischen Darmentzündungen weit verbreitet, gleichzeitig haben die verfügbaren entzündungshemmenden Therapien nur wenig Einfluss auf eine Fibrose“, erklärt Prof. Hegazy. „Wir wollen neue Biomarker finden, die helfen, Patienten mit dem Risiko einer Darmfibrose zu erkennen und basierend auf unseren Erkenntnissen Behandlungen finden, die fibrotische Erkrankungen verhindern oder helfen, sie zu behandeln.“ Zytokine, Botenstoffe, die bei einer Reaktion des Immunsystems gebildet werden, sollen im Zentrum der aktuellen Forschung stehen. Es gilt nun den Dialog, den Austausch zwischen Stroma- und Immunzellen in der Darmschleimhaut zu verstehen – unter gesunden Bedingungen, bei Entzündungen und einer abnormalen Gewebereparatur.

Der Botenstoff Dopamin und die menschliche Bewegung

Mehr als sechs Millionen Menschen weltweit leiden unter den Symptomen des Parkinson Syndroms. Verlangsamte Bewegung, Zittern, steife Muskeln, unsichere Haltung, das sind nur einige von ihnen. Der Neurowissenschafter Prof. Dr. Wolf-Julian Neumann will die Behandlung der irreversiblen Erkrankung und anderer neurologischer Bewegungsstörungen voranbringen. Dabei setzt er auf die Schlüsselrolle von Dopamin, einem zentralen Botenstoff im Gehirn. Dieser ist entscheidend an der Steuerung von tierischem und menschlichem Verhalten beteiligt. „Wir wollen ein neues, ganzheitliches Verständnis der Rolle von Dopamin für Bewegung und Koordination schaffen“, erklärt Prof. Neumann, Projektleiter an der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie der Charité. „Vor allem aber für die Behandlung des Parkinson Syndroms hat unser Vorhaben klinische Bedeutung. Denn die Erkrankung löst eine Degeneration genau der Nervenzellen aus, die das Dopamin im Gehirn freisetzen.“ Hirnaktivitätsmessungen und modernste neurotechnologische Ansätze sollen dabei helfen, den Botenstoff und sein Wirken besser zu verstehen. Das gewonnene Wissen kann zur Entwicklung spezieller Implantate zur Hirnstimulation beitragen und zu einer neuen Generation von Brain-Computer-Interfaces führen. Diese könnten in der Zukunft die Funktion von verlorenen Nervenzellen ersetzen und so die Beschwerden bei Patienten lindern. In enger Zusammenarbeit mit den Kliniken für Neurologie und Neurochirurgie der Charité ergründet die Gruppe um Prof. Neumann, wie die typischen Krankheitszeichen entstehen.

Den Herzstoffwechsel neu starten

Eine besondere Form der Herzschwäche, die Herzinsuffizienz mit konservierter Auswurfleistung – kurz HFpEF (kurz für: heart failure with preserved ejection fraction), wird voraussichtlich in den kommenden Jahren zur häufigsten Form der Herzschwäche. Die Pumpkraft des Herzens ist nicht wesentlich beeinträchtigt, dafür aber seine Dehnbarkeit. So kann der Herzmuskel nicht genug Blut aufnehmen, um den Körper ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen zu versorgen. Betroffene sind weniger belastbar, lagern Wasser in Lunge und übrigem Körper ein, werden kurzatmig. Über die molekularen Mechanismen der Krankheit ist wenig bekannt, Medikamente dagegen gibt es kaum. Dr. Gabriele G. Schiattarella leitet eine Arbeitsgruppe an der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Kardiologie der Charité und die vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) geförderte Gastgruppe Translationale Ansätze bei Herzinsuffizienz und kardiometabolischen Erkrankungen am Max Delbrück Center. Mit seinem Team hat er herausgefunden, dass bei dieser Form der Herzschwäche der Keton-Spiegel erhöht ist. Ketone sind Abbauprodukte des Fettstoffwechsels. Sie entstehen, wenn Körperzellen nicht ausreichend Glukose erhalten – etwa beim Fasten oder beim Sport – und der Körper Fett statt Glukose verbrennt. Ihren Energiebedarf decken die Zellen dann mit Ketonen. Dr. Schiattarella möchte herausfinden, was den Keton-Stoffwechsel bei HFpEF ankurbelt und warum. Außerdem will er klären, ob und wie Ketone, insbesondere das häufigste Keton namens β-Hydroxybutyrat (β-OHB), Prozesse in den Herzmuskelzellen regulieren und so beispielsweise ihre Elastizität beeinflussen. Das Ziel sind therapeutische Strategien, um den Keton-Spiegel bei HFpEF weiter zu erhöhen – sei es durch eine besondere Ernährung, ein spezielles Training oder Medikamente.

Erkrankungen des Darms verhindern, bevor sie entstehen

Magen und Darm sind einer Vielzahl äußerer Einflüsse ausgesetzt. Daher sind sie mit einer schützenden Innenwand ausgekleidet, die sich fortwährend regeneriert, dem Epithel. Prof. Dr. Michael Sigal ist Arzt und Wissenschaftler an der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Hepatologie und Gastroenterologie der Charité und am Max Delbrück Center. Ihn beschäftigen insbesondere Stammzellen, die für die kontinuierliche Erneuerung eben jener Barriere zwischen Körper und Umwelt verantwortlich sind. Eine Emmy Noether-Nachwuchsgruppe unter seiner Leitung erforscht, wodurch diese Stammzellen möglicherweise geschädigt werden, und wie die Schäden zum Entstehen infektiöser und entzündlicher Erkrankungen oder auch Krebs beitragen. Das Team konnte bereits zeigen, dass eine Verletzung der Darmschleimhaut zu einer neuen Aufgabenteilung führt. Stammzellen, die sich geschützt, tief im Inneren der Schleimhaut befinden, sterben ab und werden von ausdifferenzierten Zellen der Oberfläche ersetzt. Diese werden zu Stammzellen reprogrammiert und beginnen sich zu teilen, um so die Schleimhaut neu aufzubauen. Zwar verhindert dieser Regenerationsprozess, dass nach einer Verletzung Bakterien aus dem Darm in die Blutbahn gelangen. Jedoch vermutet Prof. Sigal, dass darin auch der erste Schritt für das Entstehen von Darmkrebs liegt: „Zellen an der Oberfläche des Epithels kommen mit dem Mikrobiom, also den im Darm lebenden Bakterien, und ihren Stoffwechselprodukten in Berührung, die mitunter DNA-Schäden auslösen können. Werden sie zu Stammzellen, können sich Mutationen im Epithel festsetzen und die komplexen Prozesse, die normalerweise für ein Gleichgewicht zwischen Zellteilung und Ausdifferenzierung sorgen, durcheinanderbringen – ein Vorstadium der Krebsentwicklung.“ In den kommenden fünf Jahren will er nun aufklären, wie sich das Gewebe des Magen-Darm-Trakts nach einer Schädigung verändert. Wissen, das als Grundstein für die Entwicklung ursachengerichteter Therapien entzündlicher Darmkrankheiten dient und zur Prävention von Darmkrebs beitragen soll.

Starting Grants des ERC

Der Europäische Forschungsrat (European Research Council, ERC) unterstützt wissenschaftlichen Nachwuchs derzeit im Forschungsrahmenprogramm Horizon Europe. Gefördert werden herausragende Talente zwei bis sieben Jahre nach ihrer Promotion, die einen ungewöhnlichen Forschungsansatz zu einem frei gewählten Thema verfolgen. Für den Aufbau einer Arbeitsgruppe stehen jeweils rund 1,5 Millionen Euro bei einer Laufzeit von fünf Jahren zur Verfügung.

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