Hygiene

Infektionsprävention in der Notaufnahme

16.11.2021 - Prozesse und Pandemie-Zertifikat

Die aktuelle Covid-19-Pandemie hat die Gesundheitssysteme in Deutschland und in ganz Europa mit großer Wucht getroffen. Die pandemische Lage und die neuen medizinischen Herausforderungen der COVID-19-Erkrankung selbst haben vielerorts die Kliniken und die Beschäftigten an den Rand der Leistungsfähigkeit gebracht. In dieser mehr als angespannten Situation wurden im Gesundheitssystem problematische Punkte sichtbar, aus denen die Einrichtungen jetzt Lehren ziehen müssen. Hierzu zählt im Besonderen die Optimierung der Prozesse zur Infektionsprävention um für zukünftige Pandemien oder Infektionslagen sicher aufgestellt zu sein.

Besondere Rolle der Zentralen Notaufnahme in der Pandemie

Die Zentrale Notaufnahme (ZNA) nimmt in den Kliniken eine besondere Rolle ein. Sie ist das Tor in die Kliniken und Anlaufpunkt für alle Patienten, die aufgrund einer akuten Erkrankung oder einer sich verschlechternden chronischen Erkrankung medizinisch versorgt werden müssen. In einer Notaufnahme sind die Zugänge und die Art der medizinischen Notfälle nur schwer planbar. Auch wenn Behandlungsabläufe und organisatorische Prozesse, oft unter höchstem Stress und mit größten Belastungen, routiniert und professionell umgesetzt werden, verlangt eine sichere Infektionsprävention hier weitergehende Schritte.

Vor diesem Hintergrund kam den Notaufnahmen neben der originären notfallmedizinischen Versorgung von Patienten in der Pandemie eine besondere, tragende Rolle zu.

  1. Ersteinschätzung – Risikostratifizierung auf SARS-CoV-2
    • Neben der Ersteinschätzung zur Behandlungsdringlichkeit erfolgte immer eine Anamnese und symptomorientierte Risikostratifizierung, ob ein Patient mit SARS-CoV-2 infiziert sein könnte und damit potenziell infektiös ist.
  2. Steuerung der Patienten
    • Frühzeitige Trennung der Patientenwege in der Notaufnahme für potenziell infektiöse und nicht-infektiöse Patienten
    • Medizinische Entscheidung, ob COVID-19-Erkrankte stationär aufgenommen werden müssen oder ambulant behandelt werden können.
  3. Umsetzung der Teststrategie
    • Etablierung geeigneter Point-of-Care Testverfahren in der Notaufnahme zum zeitnahen Nachweis einer SARS-CoV-2-Infektion
    • Koordination der Testungen für Notfallpatienten im Kontext der Teststrategie des Klinikums
  4. Durchführung der Diagnostik und Einleitung der Therapie
    • Bestimmung der medizinischen Versorgungsebene (Normalstation, Intensivstation)
  5. „Pufferfunktion“ – „COVID-Decision-Unit“
    • Bis zur Bestätigung oder zum Ausschluss einer SARS-CoV-2-Infektion/COVID-19-Erkrankung waren die Patienten häufig in den Notaufnahmen zugeordneten Einheiten verortet. Erst nach Vorliegen eines Ergebnisses wurden die Patienten in die entsprechenden Bereiche der Klinik verlegt. Hierdurch wurde das Risiko eine Verschleppung von Infektionen in die Klinik minimiert.
  6. Koordination mit dem Rettungsdienst und Gesundheitsamt auf regionaler und überregionaler Ebene
  7. Mitarbeit in Pandemie- und Krisenstab

Gerade zu Beginn der Pandemie mussten diese Maßnahmen unter Mangel von Schutzausrüstung, fehlenden Testkapazitäten und nicht adäquaten räumlichen Bedingungen unter hohem persönlichen Risiko durch die Mitarbeiter umgesetzt werden.

Patientensicherheit bei hoher Arbeitssicherheit für die Mitarbeiter

Für die erfolgreiche Umsetzung sind – wie in der Intensivmedizin - speziell ausgebildete Notfallpflegende und Notfallmediziner unabdingbar und Voraussetzung. Die enge wissenschaftliche Vernetzung auch zu anderen Fachdisziplinen und der Austausch mit Peers ist unerlässlich. Doch es gilt auch aus den Erfahrungen zu lernen und z. B. für die Zukunft die Modalitäten der Aufnahme unter infektionspräventiven Gesichtspunkten weiter zu optimieren, die Ströme von Patienten, Besuchern und den Beschäftigten möglichst effizient und sicher zu steuern. Die Architektur von Notaufnahmen muss entsprechend angepasst werden. Die Vorhaltung von Verbrauchsmaterialien und die Ausstattung mit moderner Medizintechnik ist eine wesentliche Voraussetzung. Digitale Unterstützung zur Ressourcensteuerung und telemedizinische Vernetzung mit Spezialisten muss zwingend weiter gefördert und ausgebaut werden. Nicht zuletzt ist ein zentraler und wenn nicht der wesentliche Aspekt der verantwortungsvolle Umgang mit der „Ressource Personal“. Gute, wertschätzende Arbeitsbedingungen und ein vertrauensvoller Umgang im Team sind essentiell um sichere Abläufe auch bei hohem Stresslevel umsetzen zu können.

Die Befürchtungen von Patienten sich in Arztpraxen oder Krankenhäusern mit SARS-CoV-2 zu infizieren führte zu Verunsicherung und teilweise auch zu verzögerten Behandlungen akuter Erkrankungen. Dies muss zukünftig vermieden werden.

Unterstützung und Begleitung bei Prozessoptimierung

In der aktuellen Covid-19-Pandemie hat die Stiftung Viamedica, um den Arzt und Hygieniker Prof. Dr. Franz Daschner, den Fokus auf die Unterstützung der Notaufnahmen gelegt. Die Intention ist, die Einrichtungen bei der Umsetzung der vielfältigen infektionspräventiven Aufgaben zu unterstützen. Durch ein Audit von Hygiene-Ärzten des Beratungszentrums für Hygiene (BZH), als externe Experten, wird eine professionelle Begleitung angeboten. Mit einem über drei Jahre ausgelegten Audit-Prozess, werden Prozesse analysiert und wenn notwendig optimiert. 

In einem zweiten Ansatz können die Notaufnahmen, nach innen und nach außen signalisieren, dass sie auf den Bereich Pandemie- und Infektionsschutz besonderes Augenmerk legen. Mit diesem Schritt wird das Vertrauen von Patienten und Mitarbeitern in die Einrichtung weiter ausgebaut. Die Botschaft der Sicherheit muss einfach verständlich, in alle Richtungen transportiert werden können. Eine Aufgabe, für die sich Zertifikate besonders gut eignen.

Um eine adäquate Unterstützung für die Notaufnahmen entwickeln zu können, hat die Stiftung Viamedica die „Initiative Pandemie- und Infektionsschutz“ (IPI) mit initiiert. Ein Zusammenschluss von Experten aus den Bereichen Hygiene, Beratung und Krankenhausplanung und Notfallmedizinern. Alle Mitglieder der Initiative kommen aus dem Klinik-Umfeld und haben die beschriebenen Ziele, Vertrauen zu schaffen und die Sicherheit in den Einrichtungen zu optimieren, mit entwickelt. Die IPI setzt sich zusammen aus der Consus Clinicmanagement, dem Deutschen Beratungszentrum für Hygiene, der bcmed, der Stiftung Viamedica und klinisch tätigen Notfallmedizinern.

Pandemie-Zertifikat Notaufnahme

Zum Erreichen der aufgestellten Ziele wurde von der IPI das Pandemie-Zertifikat Notaufnahme, als umfangreicher Prozess entwickelt. Da für die Mitglieder der Initiative die Infektionsprävention, die Sicherheit von Patienten und von Beschäftigten oberste Priorität hat, werden alle Audit-Tabellen frei zugänglich zur Verfügung gestellt. Somit ist auch unabhängig von einer Zertifizierung die Durchführung einer Selbstkontrolle möglich. Diese Materialien stehen auf der IPI-Webseite unter www.viamedica-ug.de/ipi als Download bereit. Mit der IPI-Audit-Tabelle können die Einrichtungen eigenständig eine Selbstüberprüfung durchführen und direkt Prozesse optimieren.

loh ipi
Pandemie Zertifikat Notaufnahme

Auch wenn Kliniken es gewohnt sind, im Rahmen des Risiko- und Qualitätsmanagements ihre Hygienepläne und Prozesse zu prüfen, so kann der unverstellte Blick durch externe Fachleute immer eine Chance sein, Optimierungspotenzial zu identifizieren und zu heben. Dabei richtet die Prüftabelle den Blick auf alle wichtigen Bereiche einer Notaufnahme.

Die IPI-Audit-Tabelle fokussiert folgende Bereiche der Prüftabelle mit je bis zu acht signifikanten Untergruppen:

Allgemeine Anforderungen an die Notaufnahme:

  • Persönliche Schutzausrüstung (PSA)
  • Konzepte zur Bevorratung und raschen Beschaffung
  • Reinigung und Desinfektion
  • Steuerung der Patientenströme
  • Technische Hygiene

Räumliche Anforderungen an die Notaufnahme:

  • Raumgruppe Zugang
  • Raumgruppe Untersuchung/Behandlung/Versorgung
  • Raumgruppe Personal
  • Raumgruppe Sonstiges

Prozess der Auditierung und Zertifizierung

Das Pandemie-Zertifikat Notaufnahme, das durch die Kliniken über Viamedica in Auftrag gegeben werden kann, steht für eine neutrale Überprüfung und bietet nicht nur eine Auditierung mit Zertifikat. Es beinhaltet einen dreijährigen Prozess der Optimierung, begleitet durch externe Experten des BZH. Das Zertifikat steht als Signal und öffentliches Zeichen für Sicherheit in der Notaufnahme. Für die Akkreditierung kommt auf die Einrichtung folgender Aufwand zu:

  • Selbstüberprüfung der Klinik anhand der IPI-Prüftabellen durch eigenes Personal
  • Erste Haupt-Auditierung durch Facharzt des BZH
  • Ggf. Optimierungen und Korrekturen durch die Klinik
  • Zertifizierung der Notaufnahme IPI nach bestandenem Audit
  • Erste Zwischen-Auditierung durch BZH-Hygienefachkraft nach dem ersten Jahr
  • Ggf. Optimierungen und Korrekturen durch die Klinik
  • Zweite Zwischen-Auditierung durch BZH Hygienefachkraft
  • Ggf. Optimierungen und Korrekturen durch die Klinik

Zusätzlich zu dem Pandemie-Zertifikat Notaufnahme sieht die „Initiative Pandemie- und Infektionsschutz“ bei Neubau oder Sanierungen der ZNA großes Potenzial durch eine optimierte und zielgerichtete Raum- und Prozessplanung den Gesundheitsschutz zu steigern. Dabei werden langfristig Kosten eingespart und Arbeitsprozesse erleichtert. Die IPI bietet zu der Thematik eine fachkompetente Beratung und Begleitung an.

Autoren: Martin Pin, Notfallmediziner, Florence Nightingale Krankenhaus der Kaiserswerther Diakonie, Präsident der Deutschen Gesellschaft interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin, Markus Loh, viamedica Stiftung für eine gesunde Medizin, Freiburg

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