Aus den Kliniken

Wahrnehmung im Raum

Leit- und Orientierungssystem für ein Krankenhaus

29.04.2010 -

Unsere Beziehung zum Umfeld, zum Raum, wird durch die Wahrnehmung geprägt. Sie hat einen wesentlichen Einfluss auf unsere Selbstverortung, auf unser Befinden, und auf die Entwicklung und Nutzung unserer Fähigkeiten. Eine auf Erfassung aller möglichen Einflüsse gerichtete Untersuchung der Wahrnehmung im Raum ist daher von großem Interesse für die Gestaltung von Räumen, Objekten und medialen Umgebungen. Um in diesem Bereich zu forschen und die Ergebnisse in ein anwendungsorientiertes Instrumentarium zu überführen, haben sich neun Hochschullehrer der Hochschule Ostwestfalen-Lippe aus den Fachbereichen Architektur und Innenarchitektur sowie Medienproduktion zusammengeschlossen.

Die Forschungsgruppe zeichnet sich durch ihre interdisziplinäre Zusammensetzung aus, die je nach Projekt auch durch externe Partner ergänzt wird. Bewusst wird Praxisnähe gesucht: Die Untersuchungsergebnisse sollen direkt, zum Beispiel bei der Entwicklung von innovativen Konzepten genutzt werden. Das Perception Lab ist in folgenden Bereichen aktiv:

- Wohnräume,
- Arbeitsumgebungen,
- Kommunikations- und Erlebnisräume,
- Betreuungs-, Therapie- und Dienstleistungsbereiche,
- Bildungs- und Lernorte.

Forschung und Lehre fließen in die konkreten Aufgabenstellungen aus der Wirtschaft ein. Als externe Dienstleistung bietet das PerceptionLab so beispielsweise Untersuchungen zur Produkt-, Raum- oder Umfeldoptimierungen an. Eines der Schwerpunktthemen, mit dem sich die Forschergruppe beschäftigt, ist Gesundheit. Produkte und Räume werden analysiert und neu gestaltet, um das Wohlbefinden und die Heilung durch eine menschgerechte Umgebung zu fördern.

Für die Planung, die virtuelle und reale zwei- und dreidimensionale Visualisierung und die Untersuchung von Oberflächen, Räumen und Objekten arbeiten die Beteiligten mit unterschiedlichen Methodiken und Technologien, wie zum Beispiel dem Eye Tracking System - das in dem nachfolgend vorgestellten Projekt zum Einsatz kommt - oder der Powerwall, die eine „reale" dreidimensionale, interaktive Darstellung einer simulierten Umgebung ermöglicht.

Exemplarisches Vorgehen
Das klassische Vorgehen bei der Bearbeitung eines Forschungsprojektes gliedert sich in die Definitions-, Erhebungs- und Analysephase. Das soll hier exemplarisch am Beispiel eines aktuell in Bearbeitung befindlichen Entwurfsprojekts unter Einbindung der Studierenden in die Forschung erläutert werden.

In der Definitionsphase wird zunächst die Forschungsfrage formuliert, die im Laufe des Seminars weiter spezifiziert wird. Im aktuellen Fall wurden Prof. Harald W. Gräßer und Prof. Ulrich Nether um Hilfe bei der Neugestaltung eines Leit- und Orientierungssystems für ein großes Krankenhaus gebeten. Der zu untersuchende Gebäudekomplex ist im Laufe der Jahrzehnte aus verschiedenen Bauteilen entstanden. Dadurch existieren mehrere Arten von Leit- und Orientierungssystemen, die sich abwechseln oder überlagern. Neben der verschachtelten Erschließung führt das zu einer Desorientierung des Nutzers. Gerade die Räumlichkeiten eines Krankenhauses sollten dem Nutzer in seiner Situation aber Sicherheit und Unterstützung bieten.

Zunächst wurde also die Ist-Situation aufgenommen und analysiert, um daraus in einem zweiten Schritt konkrete Ideen für die Entwicklung eines einheitlichen Systems abzuleiten. Im FSP Perception Lab liegt der Schwerpunkt auf einer praxisnahen, anwenderorientierten Arbeitsweise. So geht die Auswertung direkt in die Entwicklung von Konzepten und Entwürfen für ein neues anwenderfreundliches Leit- und Orientierungssystem über. Dazu starten die Studierenden die Recherchephase, in der sie sich sowohl mit dem theoretischen Rahmen, als auch mit den bisherigen Systemen anderer Gestalter in dem Bereich der Leit- und Orientierungssysteme auseinandersetzen.

Alternative zu bloßen Beschilderungen
Ziel ist die Entwicklung von alternativen Konzepten, die sich von den herkömmlichen bloßen Beschilderungen abheben. Das heißt beispielsweise, dass auch Raum und Licht als Elemente der ganzheitlichen Gestaltung mit einbezogen werden. Es geht nicht um die bloße Addition und Platzierung von Hinweisen in den vorhandenen Räumlichkeiten, sondern um die Einbindung der Komponenten in ein räumliches Ganzes. Die einzelnen Elemente sollten selbstverständlich sein und sich ergänzen. Dieser Ansatz zielt darauf ab, sowohl die ästhetischen, als auch die funktionalen Bedürfnisse des Nutzers an eine Leit- und Orientierungssystem in die Planung einzubeziehen.

Als Ergebnis dieser Vorarbeit werden Hypothesen generiert, die die weitere Richtung des Projektes bestimmen. Daraus gehen auch die Methoden hervor, die zur Untersuchung angewendet werden sollen. In diesem Fall setzen die Studierenden ein Eye Tracking System ein. Das vorhandene System ist mobil einsetzbar und eignet sich um die visuelle Raumwahrnehmung, besonders die Orientierung im (dreidimensionalen) Raum zu untersuchen. Es besteht aus einem Aufzeichnungsgerät, das die Bewegungen des Auges relativ zum Kopf aufnimmt und einer dazu gehörenden Computersoftware, welche die eingehenden Daten analysiert und darstellt. Anhand der aufgezeichneten Videos können beispielsweise kritische Stellen im Gebäude analysiert werden, an denen die Nutzer des Gebäudes Schwierigkeiten haben, sich zu orientieren.

Selbstverortung nach wenigen Schritten kritisch
Als Ergänzung zu dieser das Verhalten beobachtenden Untersuchung werden in der Erhebungsphase Fragebögen eingesetzt. Damit wird ausgeschlossen, dass die Auswertung der Ergebnisse zu falschen Schlussfolgerungen führt. Im aktuellen Projekt zeigt sich so die Selbstverortung als besonders kritisch, bereits nach wenigen Schritten im Gebäude weiß der Nutzer (vor allem der Erst- Besucher) nicht mehr, wo er sich befindet und ist ohne Hinweisschilder hilflos. Da auch an Knotenpunkten in der Wegeführung eine Gesamtübersicht fehlt, bleibt oft nur die Befragung des Personals zur Orientierung. Je besser der Nutzer das Gebäude kennt, desto sicherer findet er auch Wege an Orte, an denen er vorher noch nicht war.

In der sich anschließenden Analysephase geht es in der Forschung immer um die Dokumentation der Projekte. Sie richtet sich immer nach der Fragestellung. Was bringt uns weiter? Welche Aussagen spielen für unser Vorhaben eine Rolle? Welche unserer Hypothesen wurden bestätigt, welche nicht und benötigen wir weitere Untersuchungen, um unsere Fragestellung hinreichend zu beantworten?

So werden die vorher in der Untersuchung als kritisch herausgehobenen Bereiche nach den Entwürfen der Studierenden gestaltet. Die Simulation im realen Maßstab in Teilbereichen dient dann wieder als Untersuchungsgegenstand. Inwieweit haben sich die Ansprüche an den Entwurf erfüllt? Die Wirkung kann so direkt erfahrbar gemacht werden. Untersuchung und Umsetzung greifen wieder direkt ineinander. Insgesamt wird der Entwurfs- und Untersuchungsansatz durch die zusätzliche Auswertung statistischer Parameter beweisbar und das Ergebnis unterstützt den wissenschaftlichen Anspruch der Vorgehensweise.

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