Gesundheitsökonomie

3. Fachkongress „Marketing für Senioreneinrichtungen“

Pflegemarkt braucht Markenpflege

21.10.2016 -

Der Professionalisierungswille der Pflegebranche spiegelte sich zum dritten Mal in Folge mit einer regen Teilnahme am Fachkongress „Marketing für Senioreneinrichtungen“ in Düsseldorf wider. Die Veranstalter Dr. Thomas Hilse von der Management- und Kommunikationsberatung HILSE:KONZEPT und Dagmar Shenouda, I.O.E.-WISSEN GmbH, hatten das Interesse von über 100 Vertretern ambulanter wie stationärer Plegeunternehmen sowie von Industriepartnern geweckt.  Um dem in der Branche bislang zurückhaltenden Umgang mit Sozialen Medien zu begegnen, war das Thema Social Media neben den klassischen Fragestellungen von Marketingmanagement und Markenführung auf die Agenda gesetzt worden. „Können Facebook, Twitter & Co. stationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen Vorteile im Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter und Kunden verschaffen?“ und „Beeinflussen Online-Bewertungsportale die Entscheidung für einen Anbieter?“ lauteten die Kernfragen, zu denen die Referenten Hilfestellungen und praktikable Umsetzungsbeispiele lieferten.

Punktuelle oder sporadische Marketingaktionen versprechen nur geringen Nutzen und kaum Erfolg lautete die wesentliche Erkenntnis, die sich in der Gesamtschau der vorgestellten Erfolgskonzepte und Praxisbeispiele herauskristallisierte. Pflegeanbieter, die im Wettbewerb bestehen wollen, müssen in eine klare, durchdachte Marketingstrategie und eine stringente, kontinuierliche Markenpflege in wohl gewählten Kanälen investieren. Beste Beispiele dafür lieferten auch die mit dem exklusiv von Villeroy & Boch unterstützten Marketingpreis 2016 prämierten Ansätze.   

In seinen Begrüßungsworten versprach Organisator und Moderator des 3. Fachkongress „Marketing für Senioreneinrichtungen“ Dr. Thomas Hilse, Inhaber der Management- und Kommunikationsberatung HILSE:KONZEPT, eine Betrachtung des Bereichs Marketingstrategie aus drei verschiedenen Blickwinkeln und forderte den ersten Referenten Dr. Michael Lucas, Geschäftsführer des Klarastifts, Münster auf mit seinem Vortrags „Renaissance kommunaler Pflegeanbieter? Die Strategie der Sozialholding Klarastift als integrierte Versorgungseinrichtung“ eine Benchmark zu setzen. Dieser postulierte sogleich seine Auffassung, eine Marktbearbeitung ohne Marketingstrategie sei sinnlos und Erfolg im Markt stehe im engen Zusammenhang mit einer erfolgreichen Marketingstrategie. Wie dies inhaltlich ausschauen kann, erläuterte er anhand einer Diversifikations- und Nischenstrategie, die das auf eine zweihundertjährige Geschichte zurückblickende Klarastift in Münster konsequent verfolgt. Insbesondere der Frage, wie eine identifizierte Nische besetzt und monetär erfolgreich genutzt werden kann, maß Dr. Lucas große Relevanz bei. In seinem Unternehmen habe eine sorgfältige Auswertung von Markt- und Potentialkriterien stattgefunden, bevor die lokale Nische „Betreuung von Wachkomapatienten“ besetzt und als Alleinstellungsmerkmal ausgebaut wurde. Ziel der gesamten Strategie der Sozialholding Klarastift, die neben stationärer Pflege und Pflege von Wachkomapatienten auch ein Wohngruppen- und ein Tagespflegekonzept anbietet, sei es räumliche Flexibilität zu erhalten, um jederzeit auf gesetzliche Änderungen reagieren zu können.

Dass strategisches Vorgehen im Pflegemarkt notwendig ist, entsprach zweifelsohne auch der Meinung von Frank Haesloop, ehemaliger Geschäftsführer AWO Seniorenzentrum Mümmelmannsberg gGmbH, Hamburg. „Am Anfang war nichts!“, eröffnete er seinen Vortrag „Neupositionierung einer freigemeinnützigen Einrichtung in einem anspruchsvollen Wettbewerbsumfeld“ und führte aus, dass er bei der Übernahme der Vermarktungsaufgabe des Seniorenzentrums Mümmelmannsberg keinerlei Konzept vorfand, seine Einrichtung in der unmittelbaren Nachbarschaft nahezu unbekannt war, die Dachmarke AWO nicht genutzt wurde und sich das Objekt selbst aufgrund der Umnutzung eines Einkaufzentrums in einer andauernden Sanierungsphase befand. Nach zwei Jahren kann Haesloop nun resümieren, dass es richtig war sich auf das zu besinnen, was man hat und die starke Marke AWO ins Zentrum einer umfassenden Belegungs- und Personalkampagne zu stellen. Gemeinsam mit anderen AWO-Geschäftsführern von Pflegeunternehmen der Hansestadt entwickelte er die Submarke „AWO Pflegeteam Hamburg“, beteiligte die Mitarbeiter bei der Umbenennung der Einrichtung und konnte mit niederschwelligen Maßnahmen die Bekanntheit und Belegung seiner Einrichtung signifikant verbessern und sogar neues Personal gewinnen.

Wie Marken wirken, demonstrierte im Anschluss Manuela Palmar, Leiterin Kommunikation der Volkshilfe Steiermark Gemeinnützige Betriebs GmbH, Graz mit ihrer Darstellung des Marktentwicklungsprozesses der Volkshilfe Steiermark. Sie ließ das Publikum zwischen bekannten Marken impulsiv entscheiden und veranschaulichte damit, dass Markenpräferenz auf individuellen, positiven Erfahrungen fußt. Folgerichtig sei es aus ihrer Sicht daher, eine Markenidentität zu pflegen, damit das Markenimage bei den Zielgruppen stimme. Gemäß dieser Einsicht habe sich die Volkshilfe Steiermark Gedanken um ihren Markenkern gemacht und diesen mit den Nutzenversprechen „Benachteiligungen beseitigen“ und „Erfolge ermöglichen“ umschrieben. An die Zielgruppen werde dies transportiert, indem Erfolgs(hilfe)geschichten der Mitarbeiter auf verschiedenen Wegen veröffentlicht werden. So könne dazu beigetragen werden, die Marke Volkshilfe mit Leben zu füllen.

Wahrnehmbarkeit und Erlebbarkeit einer Marke waren auch Leitgedanken des Vortrags „Vermarktung innovativer Versorgungsangebote: Das Haus der ambulanten Pflege“ von Dr. Matthias Faensen, Geschäftsführer advita Pflegedienst GmbH, Berlin. Ihm sei es vor allem wichtig die Bewohnerwünsche nach Privatheit, Teilhabe an der Öffentlichkeit, Sicherheit und Hilfeleistungen mit dem Angebot der advita-Häuser zu erfüllen und dabei zugleich eine Antwort auf die demografische  Entwicklung zu bieten. Entsprechend sei die Markenmission von advita darauf ausgerichtet, alles für die größtmögliche Gestaltungsfreiheit von Bewohnern, aber auch von Mitarbeitern zu tun. Der Claim „Bleiben Sie, wie Sie sind“  bringe dies auf den Punkt. Konkret wurden Angebote der Tagespflege, des Service-Wohnens und Wohngemeinschaften unter einem Dach realisiert. Im Ergebnis kämen Kunden früher in die Einrichtung und verweilten länger, die Produktivität der Leistungsbringung würde gesteigert und die Mitarbeiter erbrächten abwechslungsreichere Tätigkeiten in planbareren, familienfreundlicheren Dienstzeiten.

Der wachsenden Bedeutung der Sozialen Medien für Pflegeunternehmen ist es geschuldet, dass RA Detlef Klett von Taylor Wessing in diesem Kontext über die „Fallstricke von Social Media“ aufklärte. Er wies auf eine gewisse Brisanz dieses Themas hin, da ein rechtlich korrektes Verhalten durch die gleichzeitige Geltung von mehreren Gesetzen und nicht immer eindeutiger Rechtsprechungen anspruchsvoll sei. Ganz ungefährlich sei die Nutzung vor allem auch wegen drohender Sanktionen beispielsweise aufgrund von Wettbewerbsverstößen oder Missachtung von Nutzungsrechten nicht. Auf der sicheren Seite sei man aber in der Regel, wenn man bei jeglichen Vermarktungsaktivitäten im Socialweb seine Impressumspflicht sowie Urheberrechte und Maßgaben der Meinungsfreiheit beachte. Wenn der Verdacht auf eine gezielte Manipulation von Kunden und die Gefahr der Irreführung klar auszuschließen sei, böten die Sozialen Medien laut Klett einen Weg, günstig und effektiv Werbung und Marketing zu betreiben.

Bevor konkrete Umsetzungsmöglichkeiten von Vermarktungsmaßnahmen in den Sozialen Medien thematisiert wurden, sah die Agenda der Veranstaltung mit der Verleihung des exklusiv von Villeroy & Boch unterstützten Marketing-Preis 2016 einen Programmeinschub vor. Der Initiator des Preises, Dr. Thomas Hilse, gab das Juryurteil bekannt und bat die Sieger der drei ausgeschriebenen Kategorien um eine Kurz-Präsentation ihrer Konzepte. Der Preis in der Kategorie „Marketing­mana­gement“ ging an das Hospital zum heiligen Geist Hamburg mit dem Ansatz: „Vielfalt braucht Identität – die Versorgungskette als Marke“, der in gelungener Weise die Angebotsbreite entlang der Versorgungskette als auch einen eigenen Wertkanon vermittelt. In der Kategorie „Belegungsmanagement“ konnte sich der AWO-Bezirksverband Braunschweig über den Sieg freuen. Das Konzept „Pflegenotaufnahme – Ein Dienstleistungsangebot zur Schließung von pflegerischen Versorgungslücken im häuslichen Umfeld mit dem Effekt der Belegungssteigerung“ überzeugte die Jurymitglieder, weil es überflüssige Hospitalisierung vermeide und neue Zuweiserstrukturen erschließe. Die Kategorie „Versorgungs­mana­gement“ konnte die CARE4U-Gruppe mit dem Konzept „Versorgungs- und Patientenmanagement 2.0“ für sich entscheiden, denn es böte laut Juryurteil eine echte Rundum-Versorgung für alle Betroffenen und baue tragfähige Versorgungsbrücken.

Den abschließenden Block des Kongresses, der gänzlich den Sozialen Medien gewidmet war, eröffnete Olav Sehlbach, Geschäftsführer olav sehlbach beratung, Berlin mit dem Vortrag „Such- und Bewertungsportale in der Pflege: Überblick und kritischer Diskurs“. Er warf ein Schlaglicht auf die seiner Ansicht nach schier unübersichtliche Anzahl unterschiedlichster Listing-, Vermittlungs- und Bewertungsportale. Eine pauschale Empfehlung wer welches Portal für seine Vermarktungszwecke nutzen solle, sei laut Sehlbach nicht möglich, lediglich der Rat an Pflegeanbieter im Netz präsent und aktuell zu sein, habe Allgemeingültigkeit.

Ein schlagendes Argument, warum man bei Facebook aktiv sein sollte, lieferte hingegen Martin Schleicher, Blogger „Der Gesundheitswirt“, Berlin mit seinem Vortrag “Wir sind auf Facebook und alles wird gut!“. Allein in Deutschland seien täglich 22 Millionen Menschen auf Facebook, sodass eine große Reichweite und viel Traffic bei guter Messbarkeit zu erzielen seien. Dennoch räumte er ein, dass Facebook nicht immer der Kanal der Wahl sei. Um diesbezüglich Klarheit zu erlangen sei eine Analyse des Ist-Zustands, eine Definition der im Socialweb zu realisieren Ziele und eine Festlegung von beabsichtigten Inhalten notwendig. Erst danach könne entschieden werden, ob die Möglichkeiten einer Online-Plattform der geplanten Nutzung entsprechen.

Wie eine Kampagne via Soziale Medien realisiert werden kann, präsentierte Nicholas Dorn, Geschäftsführer Phönix Pflege Consulting, Nürnberg mit seinem Referat „La Ola-Welle für die Pflege – ein Social Media Projekt als Beispiel für moderne Kommunikation im Internet“. Sein Ziel war es, das Großereignis Fußball-EM 2016 zu nutzen, um einen emotionalen Content zu transportieren. Dorn hatte Pflegeeinrichtungen in ganz Deutschland mit der Bitte angeschrieben, Pflegende und Pflegebedürftige bei einer La Ola zu filmen und das Video online hochzuladen. Die Filme aller zwanzig teilnehmenden Einrichtungen wurden zu einer einzigen langen La Ola zusammengeschnitten, dieses Video bei YouTube eingestellt und dessen virale Verbreitung angestoßen. Im Ergebnis wurden über eintausend Klicks generiert. Bei einer Neuauflage der Aktion zur WM 2018 soll eine noch stärkere positive Wahrnehmung der Pflegebranche erzielt werden.

Den Schlusspunkt des Kongresses setzte Jens-Martin Gorny, Öffentlichkeitsreferat der Diakonie Ruhr gemeinnützige GmbH Bochum, mit seinen Ausführungen zum Thema „Social Media mit begrenzten Ressourcen – ein Erfahrungsbericht der Diakonie Ruhr“. Ihm gelang es Vorbehalte gegen die Nutzung neuer Medien abzubauen, indem er aufzeigte, wie es seinem Unternehmen seit drei Jahren gelinge, eine eigene mit der Homepage verlinkte Facebook-Seite zu betreiben. Entscheidend sei die Seite regelmäßig zu pflegen und aktuell zu sein, wozu rund zwei bis dreimal wöchentlich Postings erfolgen würden. Hier erzeugten, laut Gorny, besonders bunte, emotionale Beiträge und Fotos bzw. Videos den größten Traffic. Die Sorge vor negativen, unangemessenen Kommentaren sei hier nahezu unbegründet und könne mit sachlicher Reaktion in Schach gehalten werden. Auch nutze sein Unternehmen gezielt vorhandene Pressemitteilungen und teile fremde Beiträge, um das eigene Image zu pflegen und Präsenz zu zeigen. Somit schloss er den Bogen zu seinen Vorrednern und unterstrich, dass eine strategische Herangehensweise im Pflegemarkt nötig sei, die auf Etablierung und Pflege einer Marke ziele.

Im Fazit ist die Maßgabe, Pflegedienstleistungen strategisch zu vermarkten und dafür alle sinnvollen Kanäle zu nutzen, nach Meinung aller Referenten der Veranstaltung die entscheidende Stellgröße für den Erfolg im Wettbewerb. Welche innovative oder kreative Herangehensweise die immer professioneller agierenden Branchenvertreter zukünftig nutzen, wird erneut der vierte Fachkongress „Marketing für Senioreneinrichtungen“ am 11.10.2017 in Düsseldorf zeigen. 

Kontakt

HILSE:KONZEPT Management- und Kommunikationsberatung

Folgen Sie der
Management & Krankenhaus

 

 

MICROSITE Gesundheits-technologie

Lesen Sie hier

MICROSITE Digitale Identität

Lesen Sie hier

Folgen Sie der
Management & Krankenhaus

 

 

MICROSITE Gesundheits-technologie

Lesen Sie hier

MICROSITE Digitale Identität

Lesen Sie hier