IT & Kommunikation

Fehlerlernsysteme für mehr Patientensicherheit

15.03.2013 -

Durch CIRS-Software ­können Risikomanagementprozesse verbessert werden. Einführung und Betrieb ­bergen jedoch neben technischen auch spezielle organisationale und personalpolitische Herausforderungen.

Mit dem in diesem Jahr in Kraft tretenden Patientenrechtegesetz soll die Patientensicherheit in der medizinischen Versorgung gestärkt werden. Eine besondere Rolle kommt dabei der Umsetzung von Critical-Incident-Reporting-Systemen (CIRS) zu, durch die Krankenhäuser sicherheitsrelevantes Mitarbeiterwissen über kritische Ereignisse strukturiert dokumentieren, analysieren und so zur künftigen Fehlervermeidung nutzen können. Wie sehr deutsche Kliniken im Risikomanagement bereits auf dieses Instrument setzen, zeigen die Ergebnisse einer bundesweiten Befragung des Aktionsbündnisses Patientensicherheit, bei der rund die Hälfte der befragten Häuser die Einführung eines CIRS berichtete.

Obwohl viele Kliniken mittlerweile eine Risikomanagementsoftware einsetzen, schlummern hier noch große Potentiale. Was Einrichtungen konkret bei der Einführung und Anwendung von CIRS-Software beachten können, zeigen Inhalte und Ergebnisse eines Verbundprojekts der Universität Witten/Herdecke, bei dem unter Förderung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie ein IT-gestütztes CIRS in drei Partnerkliniken implementiert, erprobt und evaluiert wurde.

Aufbau und Funktionsweise

Die im Projekt eingeführten Systeme bestehen aus einem interaktiven Meldeformular, einer Datenbank sowie einem breiten Spektrum an Bearbeitungsfunktionalitäten und Workflows zur Unterstützung der Risikomanagementprozesse im Backoffice. Das Meldeformular erfasst neben einem Ereignisbericht im Freitextfeld verschiedene strukturierte Informationen über Auswahllisten, Checkboxen und Dropdown-Felder, etwa zu Zeit, Ort/Fachbereich und Patientenzustand. In der dahinterliegenden Datenbank werden die eingehenden Risikoberichte wie auch alle weiteren Bearbeitungs- und Managementschritte elektronisch gespeichert und prozessorientiert dokumentiert. Die Funktionalitäten der Softwaremodule unterstützen die innerbetriebliche Kommunikation, erleichtern die systematische Risikobewertung und -analyse und vereinfachen das Reporting. Beispiele sind das automatisierte Versenden von Eingangsbestätigungen per E-Mail, die Einstufung des Risikos in einer Risikomatrix, Vorgaben zur strukturierten Risikoanalyse sowie die Erstellung von Statistiken und Charts auf Knopfdruck.

Im Projektverlauf entwickelte Erweiterungsoptionen ergeben sich etwa bei der Datenverknüpfung mit anderen Krankenhausinformationssystemen oder der Einbindung klinikspezifischer Angaben in das Meldeformular, z. B. durch Online-Zugriff auf den Medizingerätekatalog. Durch externe Workflows können meldepflichtige bzw. besonders lehrreiche Vorkommnisse über einen Button weitergeleitet werden, u. a. an krankenhausübergreifende Lernsysteme oder die Bundesbehörde zur Risikoüberwachung.

Aspekte, die zu einer möglichst glatten Einführung und Anwendung IT-gestützter CIRS-Systeme beitragen können, wurden in den Bereichen Technik, Organisation und Personal identifiziert.

Technische Anforderungen

Bei der Wahl der CIRS-Software ist zu prüfen, inwieweit sich das System in bereits vorhandene IT- und Risikomanagementstrukturen einbinden lässt. Gleichzeitig gilt es, einrichtungsbezogene Fragen zum Installations- und Wartungsaufwand mit der EDV-Abteilung zu klären. Sollen Meldedaten darüber hinaus exportiert und mit anderen IT-Programmen für Beschwerdemanagement, Dokumentenverwaltung usw. verknüpft oder innerhalb eines Kliniknetzwerks zusammengeführt und ausgetauscht werden, bedarf es eines kompatiblen Dokumentenformats und einer Datenschnittstelle.

Für die Akzeptanz und damit intensive Nutzung des CIRS muss das System Fehlerdaten sicher übertragen und die Anonymität der Absender wahren. Die Verschlüsselungstechnik kann gewährleisten, dass Meldedaten weder eingesehen noch verändert oder Meldende etwa durch Rückverfolgbarkeit gespeicherter IP-Adressen identifiziert werden können. Die Meldebereitschaft erhöht sich, wenn Risikoberichte anonym verschickt werden können. Mit Blick auf die teils gemeinschaftliche Computernutzung in Arzt- und Schwesternzimmer ist die Software im Idealfall auch von außerhalb des Krankenhausnetzwerks erreichbar, beispielsweise durch einen gesicherten Zugriff über die Krankenhaushomepage oder eine VPN-Lösung.

Organisationale Umsetzung

Bei der Softwareeinrichtung sind zudem diverse organisationale Fragen zu klären: Wie viele Key-User erhalten ein Nutzerprofil? Welche Nutzergruppen verfügen über welche Zugriffsrechte und Softwarefunktionen? Werden bei spezifischen Risiken Experten aus der Apotheke, Hygiene oder Medizintechnik eingebunden? Und: Wie wird eine verlässliche Kommunikation zur Geschäftsführung sichergestellt?

Im Projekt half eine Visualisierung der Aufgaben, Zuständigkeiten und Abläufe mit Fristen in einem Prozessdiagramm. Außerdem wurde das CIRS mit Blick auf eine möglichst nachhaltige Nutzung nicht sofort über alle medizinischen Bereiche hinweg, sondern zunächst in ausgewählten Abteilungen als Pilotprojekt etabliert. Dies half, Anfangsprobleme besser zu erkennen, technische Verbesserungsmaßnahmen schneller umzusetzen und Frustration bei den Mitarbeitern zu vermeiden.

Personalpolitische Aspekte

Damit die Software schließlich aktiv genutzt wird, gilt es, das Personal umfassend zu informieren und zu schulen. Zentral sind die Kommunikation verantwortlicher Ansprechpartner und deren Stellvertreter wie auch die Erläuterung von Funktionsweise und Zielen des CIRS sowie Details zur technischen Handhabung und zum rechtlichen Rahmen.

Das Projektteam stimmte überdies das Meldeformular mit den Arbeitnehmervertretungen der Kliniken ab, da dies in der Regel mitarbeiterbezogene Daten bzw. Informationen erfasst, die u. U. Rückschlüsse auf die an Zwischenfällen beteiligte Mitarbeiter zulassen. Vorab vereinbarte Grundzüge zum Umfang und zur Nutzung des CIRS sowie zur Auswertung und zum Schutz der Meldedaten wurden schriftlich in einer Betriebsvereinbarung festgehalten.

Fazit

IT-gestützte CIRS helfen, Mitarbeiterwissen über kritische Risikokonstellationen zu generieren und zu übermitteln sowie Risikomanagementprozesse zu vereinfachen und zu automatisieren. Durch die Verknüpfung von Meldedaten innerhalb der Krankenhaus-IT und den Aufbau externer Workflows wird der Wissenstransfer verbessert. Eine geeignete CIRS-Software unterstützt viele dieser Abläufe; oder sie gibt Standardprozesse vor, die Kliniken an ihre spezifischen Gegebenheiten anpassen können.

Im Projekt zeigte sich, dass neben technischen und organisatorischen Rahmenbedingungen wie Datensicherheit und Anonymität auch spezielle Maßnahmen zur Mitarbeitermotivation und -kommunikation entscheidende Erfolgsfaktoren für die erfolgreiche CIRS-Einführung im Krankenhaus darstellen. Erst durch die Kombination dieser Maßnahmen lassen sich Mitarbeiter langfristig für eine aktive CIRS-Teilnahme gewinnen. Kliniken erfüllen dann nicht nur die gesetzlichen Vorgaben zur Fehlervermeidung, sondern nutzen das dadurch gewonnene Risikowissen bestmöglich zum aktiven Lernen aus kritischen Ereignissen und damit zur dauerhaften Stärkung der Patienten- und Versorgungssicherheit.

 

 

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