Labor & Diagnostik

Nosokomiale Infektionen: Einführung eines neuen Testsystems zum schnellen Nachweis von MRSA

01.02.2011 -

Nosokomiale Infektionen sind nicht nur eine Beeinträchtigung für den Patienten, sondern belasten auch finanziell das Gesundheitsystem und das Budget der einzelnen Krankenhäuser. Anhand der Erhebungen der NIDEP2-Studie ist in Deutschland mit einer Inzidenz von etwa 69 Infektionen pro 1.000 Patienten zu rechnen. Eine britische Studie schätzt, dass sich bei Auftreten einer nosokomialen Infektion die Krankenhauskosten um den Faktor 2,8 erhöhen. Daten aus den USA aus dem Jahre 1992 beziffern die ökonomische Gesamtlast auf rund 4,5 Milliarden US-$.

Für Deutschland existieren vergleichbare Daten nicht, aber es gibt Untersuchungen zur finanziellen Mehrbelastung durch Infektionen mit Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA). So fanden Wernitz et al. für jede Infektion eine durchschnittliche Steigerung der Krankenhauskosten um ca. 5.700 €. Tatsächlich sind diese Kosten sehr konservativ kalkuliert, da sie sich nur auf Ausgleichszahlungen im DRG-System beziehen. Schätzungen in anglo-amerikanischen Veröffentlichungen gehen von durchschnittlichen Kosten von 8.000 bis 10.000 € aus.

Ein Patient, der ein gesunder MRSA-Träger ist, kann den Keim übertragen. Dies geschieht mit einer Rate von etwa 1:5 (20%). Weiterhin hat jeder unentdeckte Patient mit MRSA ein höheres Risiko, eine Infektion mit diesem Keim zu entwickeln. Um nun diese Risiken gering zu halten, versucht man so früh wie möglich, am besten mit der Aufnahme, bestimmte Risikopatienten als MRSA-Träger zu identifizieren oder auszuschließen.

Im Labor kann man die MRSA-Nachweise auf die klassische Weise führen, also mit kulturellem Nachweis. Dieses Verfahren dauert mindestens 16 bis 24 Stunden, wenn man mit selektiven Medien arbeitet, also solchen, die gezielt das Wachstum von MRSA fördern. Sollte das Labor ohne die Selektivplatten arbeiten, so dehnt sich die Dauer des gesamten Nachweisverfahrens auf 48 Stunden aus, kann mitunter sogar 72 Stunden dauern. Es wurde gezeigt, dass eine frühe Identifizierung die Übertragungsrate minimiert. Sollte man also einen neuen, teuren Test, der den MRSA-Nachweis innerhalb von etwa 60 min garantiert, im Labor übernehmen oder nicht? Der Vorteil ist sicherlich, dass man die Mehrzahl der Patienten am selben Tag mit hinreichender Sicherheit identifizieren kann. Der Nachteil sind die hohen Kosten. Lohnt sich die Investition?

Als konkretes Beispiel stand in unserem Labor in einem Krankenhaus im Saarland die Einführung eines PCR-basierten Schnellnachweises zur Debatte. Es handelte sich um einen vergleichsweise teuren Test, der aber für das Labor entscheidende Vorteile hatte: Die Bedienung ist für medizinisch-technisches Personal auch ohne PCR-Erfahrung sehr einfach; die Hands-on-time ist sehr gering, und die Testdauer liegt bei etwa einer Stunde. Damit konnte ein Testergebnis also am gleichen Tag geliefert werden, wenn die Untersuchung bis 17 Uhr angefordert wurde, da das mikrobiologische Labor keinen Spätdienst anbietet. Es gibt auch Häuser, wo dieser Test im Zentrallabor durchgeführt wird und somit 24 Stunden angeboten werden kann. Auf der Seite der Kliniken dagegen stehen folgende Betrachtungen: Kosten für die Bettenbelegung und Kosten für MRSA-Infektion sind hoch. Deswegen ist eine beschleunigte, optimierte Dia¬gnostik durchaus wünschenswert.

Um das Problem lösen zu können, ist es sinnvoll, für jedes Haus eine individuelle Kosten-Nutzen-Betrachtung durchzuführen. Folgende Faktoren gehen in die Entscheidungsfindung ein: Kosten des Nachweises oder Tests und die durchschnittlichen Kosten für eine MRSA-Infektion am Haus. Die Grafik, die wir für unser Haus erstellt haben, ist in Abb. 1 dargestellt. Die Kosten für den jeweiligen Test sind konstant (rote und blaue Linie). Dabei gingen wir von folgenden Voraussetzungen aus:

Die Untersuchungen werden jeweils bei Aufnahme des Patienten durchgeführt und auf den Intensivstationen wöchentlich durchgeführt.
Es werden nicht alle Patienten untersucht, sondern nur Risikogruppen; für unser Haus gehörten etwa 2 % aller aufgenommenen Patienten in eine solche Risikogruppe. Bei der Definition der Risikogruppen orientierten wir uns an den Vorschlägen des RKI zum MRSA-Screening.

Weiterhin betrachteten wir zwei Untersuchungsmodelle: Zum einen gingen wir davon aus, dass alle Patienten mittels des neuen Tests untersucht werden (rote Linie), zum anderen betrachteten wir einen Kosten-Mix, bei dem bei 50% der Patienten der neue Test und bei 50% der Patienten der alte Test verwendet wird (schwarze Linie). Das letztere Modell ist durchaus sinnvoll und betrifft Situationen, in denen eine tagesgleiche Berichterstattung unnötig ist, etwa weil der Patient zu einer geplanten OP aufgenommen werden soll und einige Tage vorher in der Ambulanz untersucht werden kann. Die ansteigende Gerade (blau) stellt die steigenden Kosten im Zusammenhang mit steigender Anzahl MRSA-Infektionen dar. Der Schnittpunkt der Kurven zeigt jeweils, wie hoch die Zahl der verhinderten Infektionen mindestens sein muss, um die Testkosten aufzuwiegen. Dabei muss jedes Haus individuell anhand der MRSA-Rate entscheiden, ob diese Zahl erreichbar ist. Für unser Haus und unsere MRSA-Rate war das Ergebnis sehr eindeutig: Selbst wenn alle Patienten mit dem teuren Test untersucht werden, ist die Kosteneinsparung durch die Zahl der verhinderten Infektionen höher als die zusätzliche Belastung durch den Test. Bei der Wahl des Mixmodells (50% konventionelle Untersuchungen, 50% teurer Test) rechnet sich die Investition in jedem Fall.

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass bei der Einführung neuer diagnostischer Tests nicht allein auf die Testkosten geachtet werden darf. In unserem Beispiel der Einführung eines Tests zum schnellen Nachweis von MRSA hat es sich gezeigt, dass die Vorteile der beschleunigten Diagnostik und die damit verbundene Verhinderung von Übertragungen und neuen Infektionen die höheren Testkosten bei Weitem aufwiegen. Die Auswirkungen dieser Einführung machten sich auch auf den Stationen unmittelbar bemerkbar. Bei Kontakt mit einem davor unbekannten MRSA-Träger wurden die Mitpatienten bisher bis zum Vorliegen des Befundes isoliert. Bei tagesgleicher Berichterstattung war eine solche Isolierung erst bei Vorliegen eines positiven Ergebnisses nötig. Die Akzeptanz des neuen Tests durch das Personal war deswegen schnell und umfassend. Es darf jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass eine gut ausgearbeitete MRSA-Politik eine unabdingbare Voraussetzung dafür ist.

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