IT & Kommunikation

Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker: Arzneimittelunsicherheit minimieren

18.03.2012 -

Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker: Arzneimittelunsicherheit minimieren. In Deutschland muss jährlich mit bis zu 30.000 Todesfällen bei stationären Patienten gerechnet werden, die auf Medikationsfehler zurückzuführen sind. Elementarer Grund ist der Medikationsprozess, der auf allen Stufen Irrtümer zulässt und unzulänglich gesichert sowie dokumentiert ist. Der Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) hat sich zum Ziel gesetzt, diese systembedingten Medikationsfehler zu minimieren. In welchem Maße die Krankenhauspharmazie zu einer qualitätsgesicherten Arzneimittelversorgung beitragen kann, war Schwerpunkt eines Parlamentarischen Abends in Berlin.

Der herkömmliche, aus vielen einzelnen Hör-, Seh-, Schreib- und Leseschritten bestehende Medikationsprozess ist extrem fehlerbehaftet: Der Arzt verordnet oft mündlich am Patientenbett, die Pflegekraft notiert – allein 50 % aller Medikationsfehler entstehen an diesen Stellen. Bei Übertragung der Daten in die Patientenakte und Zubereitung für den Patienten bzw. Applikation können weitere Fehler auftreten. Gründe sind neben Arbeitsüberlastung, schlechter Handschrift, mangelnder Kenntnis und Rechenfehlern auch „Sound-Alikes“ und „Look-Alikes“, wobei letztere Generika-bedingt (häufig weiße Tabletten!) stark zugenommen haben.

Eine Möglichkeit, diese Fehlerquellen auszuschalten, liegt in der Implementierung einer patientenbezogenen Arzneimittelversorgung mit elektronischer Verordnung und einem Unit-Dose-System, die Jürgen van Gessel, Leitender Apotheker des Zentrums für Klinische Pharmazie in Bottrop, seit vier Jahren für zwei Kliniken – Oberhausen und Gelsenkirchen – vorantreibt: Der Arzt gibt die Medikation bei der Visite in ein elektronisches Verordnungssystem ein, das ihm alle Informationen zu seinem Patienten liefert. In der Krankenhausapotheke werden für jeden Patienten die Arzneimittel für den nächsten Tag einzeln verpackt und vor Applikation nochmals durch Barcode- Scanning mit der ärztlichen Verordnung abgeglichen. Die Vorteile dieses – in den Niederlanden übrigens seit Jahrzehnten implementierten – Systems sind weitreichend:

  • Qualitätssicherung der ärztlichen Verordnung durch zeitnahe elektronische Dokumentation, die sekundenschnelle datenbankgestützte Abgleiche zur Vermeidung von Medikationsfehlern erlaubt.
  • Fachliche Unterstützung dieser Qualitätssicherung durch aktive Teilnahme der Krankenhausapotheker bei Implementierung und Optimierung des Systems.
  • Verbesserte Wirtschaftlichkeit durch Direktbelieferung (Arzneimittelvorräte auf Stationen gehören der Vergangenheit an), Absenkung der Arzneimittelbudgets ohne Qualitätseinbußen, zuverlässige detaillierte Kostenträgerrechnung.
  • Compliance-Förderung durch einzelverpackte Arzneimittel (bezogen auf ½ Jahr: 90 % vs. 60 % bei den Patienten, die Packungen erhalten).
  • Intensivierte Zusammenarbeit der in diesem System unmittelbar beteiligten Berufsgruppen und damit verbunden verstärkte Einbindung der Krankenhausapotheker im Sinne aktiver klinisch-pharmazeutischer Dienstleistungen (z.B. Begleitung ärztlicher Visite).

Aus Sicht von Prof. Dr. Matthias Schönermark, Professor für Medizinmanagement an der MH Hannover und Aufsichtsratsmitglied der Marseille Kliniken, liegt eine zentrale Funktion der Krankenhausapotheker im Compliance-Management, nicht zuletzt an der ambulant-stationären Schnittstelle, ferner in der Sicherstellung der pharmakotherapeutischen Kommunikation über unerwünschte Arzneimittelwirkungen sowie Dosierungsfragen und natürlich im Beschaffungsmanagement. Mit seiner Forderung, die Krankenhausapotheker sollten künftig alleinverantwortlich für die Pharmakovigilanz im klinischen Bereich sein, formulierte er gleichzeitig einen Anspruch des ADKA. Allerdings hapert es derzeit noch an den Voraussetzungen dafür, da die deutsche Krankenhauspharmazie im europäischen Vergleich absolutes Schlusslicht ist. „Auf 1.000 Krankenhausbetten entfallen bei uns drei Klinikapotheker – der EU-weite Durchschnitt liegt bei neun“, beklagte Michael Lueb, Präsident der ADKA und Chefapotheker des Evangelischen Krankenhauses Bielefeld.

„Das Problem ist, dass auf die Krankenhäuser ein hoher Druck wirkt und Entscheidungen betriebswirtschaftlich getroffen werden, die gesamtwirtschaftlich problematische Folgen verursachen können. Die Realität ist, dass wir in 2003 noch 540 Krankenhausapotheken in Deutschland hatten, von denen vier Jahre später nur noch 460 übrig sind“, verdeutlichte ADKA-Vizepräsident Dr. Steffen Amann die herrschende Situation. Eine Änderung der Rahmenbedingungen ist längst überfällig, so der Appell, aber noch gehen die politischen Bestrebungen eher in die andere Richtung: Das Apothekensterben geht unverändert weiter. Aktuelles Beispiel ist das Zentrum für Klinische Pharmazie in Bottrop, an dem van Gessel noch bis zum 30. Juni dieses Jahres tätig sein kann.

Dann wird es aus betriebswirtschaftlichen Gründen nach der Übernahme der Trägerschaft eines der beteiligten Krankenhäuser durch eine private Klinikkette geschlossen. „Wir wollen keine Schutzzäune“, so Amann, „aber doch die Verantwortung in der Politik, wahrzunehmen, dass die Investition in die Arzneimittel- und Therapiesicherheit nicht der Beliebigkeit kurzfristiger betriebswirtschaftlicher Entscheidungen anheim gestellt werden darf. Und die Krankenhausapotheke ist ein wesentlicher Leistungsfaktor für die Verbesserung der Arzneimittelund Therapiesicherheit.“

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